Bayern 2 - Das Kalenderblatt


1

12. Oktober 1847 Gründung der Telegraphenbauanstalt Siemens & Halske

Er entwickelte bereits bekannte technische Geräte weiter. Eine großartige Idee war, einen kaputten elektrischen Zeigertelegrafen so zu verbessern, dass er zum technischen Herzstück der Nachrichtenübermittlung der Zukunft werden konnte. Autor: Herbert Becker

Stand: 12.10.2015 | Archiv

12 Oktober

Montag, 12. Oktober 2015

Autor(in): Herbert Becker

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

"Das einzige, was Bestand hat, ist der Wandel."

Dieser bedeutungsschwere Satz könnte von einem der alten griechischen Philosophen stammen. Einem Siemens-Manager würde man ihn eher nicht zuschreiben. Manager genießen keinen sonderlich guten Ruf; sie gelten gewissermaßen als das Gegenteil von Philosophen, als Menschen, denen nichts fremder ist als jene Bedürfnislosigkeit, die etwa Diogenes vorgelebt hat. Trotzdem: Philosophen-Worte nehmen auch sie gelegentlich in den Mund.

Weg mit der "Lähmschicht"

Da stellte man zum Beispiel in den 1990er Jahren bei der Firma Siemens fest, dass die Wettbewerbsfähigkeit stark nachgelassen hatte. Es hatte sich, wie es hieß, eine "Lähmschicht" gebildet. So bezeichnete man jenen Teil der Mitarbeiterschaft, der in bequemen Chefsesseln sitzend der Pensionierung entgegenschlummerte, anstatt hellwach auf Veränderungen des Marktes zu reagieren. Um den Konzern beweglicher, flexibler und damit wieder konkurrenzfähig zu machen, wurde ein Quality Management Program installiert, das die Effizienz der Arbeit erhöhen und das Management verschlanken sollte. Ganz nach dem Motto des Philosophen Heraklit "panta rhei" - "alles fließt" - sollte jeglicher Stillstand ausgeschlossen und der Wandel zum Dauerzustand gemacht werden. Siemens sollte ein wenig vom Pioniergeist der Anfangstage zurückgewinnen.

In der Tat war das Management der Firmengründer äußerst schlank gewesen, und auf ihren Lorbeeren hätten sie sich niemals ausgeruht. Bei ihnen war immer alles im Fluss.

Werner Siemens hatte im Alter von 26 Jahren entdeckt, dass man Löffel, Gabeln und Messer auf elektrolytischem Weg mit Gold überziehen konnte und das Verfahren einer englischen Besteckfabrik verkauft. Der Erfolg spornte ihn an, er entwickelte bereits bekannte technische Geräte weiter, und als er einen reparaturbedürftigen elektrischen Zeigertelegrafen in die Hände bekam, erkannte er sogleich die enorme Bedeutung dieses Instruments für die Nachrichtenübermittlung.

Er stellte das Modell einer verbesserten Version her und ließ den Apparat von dem Feinmechaniker

Johann Georg Halske nachbauen. Kurz darauf schrieb er an seinen Bruder Wilhelm, er habe "mit dem Mechanikus Halske ... die Anlage einer Fabrik beschlossen“.

Change!

Es folgte ein steiler Aufstieg. 1848 erhielt die Firma den ersten staatlichen Großauftrag und baute eine über 500 Kilometer lange Telegraphenlinie von Berlin nach Frankfurt am Main, ein paar Jahre später errichtete sie ein von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer reichendes Telegraphennetz. Und 25 Jahre nach seiner Gründung beschäftigte der multinationale Konzern Siemens und Halske rund 1600 Arbeiter und Angestellte. Das Unternehmen wuchs weiter, denn es reagierte schnell und flexibel auf die Herausforderungen seiner Zeit - ganz so, als hätte ihm jemand ein perfekt durchdachtes Quality Management Program verordnet.

A propos Quality Management Program: Als in den 90ern jemand aus dem Vorstand die Prinzipien dieses Programms versinnbildlichen wollte, skizzierte er einen Tempel; auf dessen drei Säulen stand: "Innovation", "Produktivität" und "Marktführerschaft". In das Dach, das sie trugen, hatte er "Kapital" geschrieben, und alles ruhte auf einer Basis, auf der das Wort "Change" - "Wandel“ prangte.

Spätestens hier hätte der alte Grieche gestutzt. Denn es mag ja vieles im Fluss sein, aber dort, wo sich ausgerechnet die Basis ständig wandelt, bricht über Kurz oder Lang der ganze Tempel zusammen. Ist eben doch ein kleiner Unterschied zwischen Manger und Philosoph.


1