Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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12. April 1975 Josephine Baker gestorben

Eine schwarze Diva, in er weißen Welt. Ein Burlesque-Showgirl mit Bananenröckchen. Josephine Baker - "fast unsterblich". Autorin: Anja Mösing

Stand: 12.04.2016 | Archiv

12 April

Dienstag, 12. April 2016

Autor(in): Anja Mösing

Sprecher(in): Krista Posch

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Sie war verdammt viel mehr als eine erotische Frau mit Bananenröckchen! Vor allem war sie unglaublich charismatisch, wie sonst hätte Josephine Baker aus den Unmengen schöner, talentierter, junger Frauen derartig heraus stechen können?

Damals, im Paris der 1920er Jahre, als die Metropole nur so wimmelte: vor Armen und Reichen, vor Bohemiens mit und ohne Vermögen, vor Künstlern mit und ohne Erfolg und eben auch vor Tänzerinnen aus allen möglichen Kulturen, die in Revues rund um den Montmartre auftraten.

Bakermania

Auch das Théâtre des Champs-Élysees verwöhnte sein Publikum immer wieder mit exotischen Shows. Als Josephine Baker dort 1925 auftrat, war irgend etwas ganz anders: die neunzehnjährige, dunkelhäutige Frau tanzte verblüffend schnell, mit umwerfender Energie und zu einem in Europa bisher ungehörten Rhythmus: dem Charleston. Als Teil der Revue Nègre, einem New Yorker Varietés-Programm auf Europatournee, hochkarätig besetzt mit schwarzen amerikanischen Tänzern und Jazzmusikern, war die Baker schon nach der Pariser Premiere der neue Star der Stadt.

Sie löste richtiggehend eine Bakermania aus: die Folies-Bergères warben sie zu sich ab und bald hatte sie ihren eigenen Club. Ob ihr Kostüm mehr androgyn war mit kurzen Hosen und zerrissenem Hemd, oder ob es nur aus einem Glitzer-Slip mit ein paar Straußenfedern bestand, oder aus dem berühmten mit Stoff-Bananen geschmückten Gürtel: Josephine Bakers feingliedriger Körper muss immer atemberaubend erotisch und dynamisch gewirkt haben. Wie sie mit ihrem Körper umging, die Freiheit in ihren Bewegungen, ihre selbstverständliche Nacktheit, dazu die Selbstironie, wenn sie wieder einmal ein Klischee des schwarzen Urwaldmädchens tanzte und dieses Klischee mit einem Augenaufschlag brechen konnte, all das wirkte auf die Europäer elektrisierend.

"Ein schönes Idol aus braunem Stahl, Ironie und Gold"

Hier gierte man nach dem ersten Weltkrieg geradezu nach allem Neuen und ausgerechnet dieses junge Mädchen, uneheliche Tochter einer schwarzen Wäscherin aus dem Mittleren Westen der USA, schien es zu verkörpern. Frauen kleideten und frisierten sich nach ihrem Vorbild und für die Künstler der europäischen Avantgarde, die Maler, Architekten, Fotographen, Filmemacher, Lyriker und Schriftsteller war Josephine Baker nichts weniger als die Ikone der europäischen Moderne.  Jean Cocteau schwärmte, sie sei "Ein schönes Idol aus braunem Stahl, Ironie und Gold". Seine Künstlerkollegen verewigten sie in unzähligen Fotos, Lithographien, lebensgroßen Scherenschnitten und Filmen.

Unglaublich auch, dass La Baker, wie sie in Frankreich genannt wurde, sich vom anhaltenden Rummel um ihre Person nicht aus der Bahn werfen ließ. Im Gegenteil. Sie hat ihn klug genutzt: eine eigene Pomade-Marke kreiert, La Baker fix, mit der sie sich selbst als bubiköpfiges Symbol der modernen Frau vermarktet; sie hat Baker-Puppen verkauft, Restaurants in Paris und Berlin eröffnet. Nie wird sie als Getriebene beschrieben wie andere Stars, nie als Einsame, nie als Opfer ihres Erfolgs, als bloßes Objekt. Für ihr internationales Publikum wird sie als Show- und Chanson-Star zum Inbegriff der Pariserin. Eine, die mit einem Leoparden am diamantbesetzten Halsband spazieren geht. Aber auch eine, die gegen Rassismus kämpft, im zweiten Weltkrieg Mitglied der Resistance ist, dafür Leutnant der Ehrenlegion wird und später auch die Bürgerrechtsbewegung in den USA unterstützt.

Als Josephine Baker am 12. April 1975 in Paris starb, trauerte eine große Familie um sie: ihre 12 aus allen Teilen der Welt adoptierten Kinder und Millionen von Menschen, für die sie schon zu Lebzeiten längst eine unglaublich gütige, alterslose, facettenreiche Legende ist. Fast unsterblich.


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