Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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11. August 1858 Der Eigergipfel wird zum ersten Mal bestiegen

Der Eigergipfel war nicht das Problem, sondern die Wand. Und die nicht zu beklettern, war wiederum eine Frage der geistigen Reife - meinten die Schweizer. Autor: Markus Mähner

Stand: 11.08.2016 | Archiv

11 August

Donnerstag, 11. August 2016

Autor(in): Markus Mähner

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Todesbiwak, Götterquergang, Schwieriger Riss, Schwalbennest, Das letzte Problem der Alpen - und nicht zuletzt: Nordwand!

Majestätisch und furchterregend hallen diese Worte wieder - nicht nur in den Ohren von Bergsteigern. Die ganze Welt kennt sie: die grausamen und tragischen Geschichten um die Besteigung der Eigernordwand. Nicht zuletzt durch zahlreiche Filme und Bücher avancierte "die verfluchte Wand" zur wohl berühmtesten Vertikalen der Alpen. In den Dreißiger Jahren hatte sie vielen Waghalsigen das Leben geraubt - allen voran Toni Kurz, dessen Erschöpfungstod an einem Seil hängend nur wenige Meter von seinen Rettern entfernt den Stoff für das wohl bitterste und bekannteste Bergsteigerdrama überhaupt bildet.

Unglückstourismus mit Aussicht

Den einheimischen Schweizern jedoch war dieser Trubel um "ihre" Nordwand gar nicht recht: Nach dem Tod der Deutschen Toni Kurz und Andreas Hinterstoisser und ihrer beiden österreichischen Kollegen erließ der Kanton Bern im Juli 1936 vorübergehend sogar ein "Eigernordwand-Verbot": Wer aus anderem Grund als nach Toten zu suchen in die Wand einstieg, hatte eine Geldstrafe zwischen einem und vierzig Franken zu befürchten! Auf dass der Unglückstourismus in Grindelwald bald aufhöre, denn schließlich bot die Hotelterrasse auf der Kleinen Scheidegg ideale Sicht auf die Wand und ihre erfrorenen und abgestürzten "Helden".

Eine Frage der Reife

Und selbst als zwei Jahre später die "Mordwand" tatsächlich noch durchstiegen wurde - auch diesmal kamen die Aspiranten aus dem "Großdeutschen Reich" - wetterte die Neue Zürcher Zeitung: "Für eine solche Leistung ist nicht die physische Kondition maßgebend, sondern die Mentalität. Wir Schweizer Bergsteiger können das einfach nicht. Nicht etwa weil wir physisch schwächer oder seelisch verweichlichter sein sollten. Nein! Wir haben einen Grad der Reife erreicht, aus der es kein Zurück gibt.

Unser Verstand lehnt das ohne weiteres ab, selbst wenn es in den Gliedern infolge rein wettkämpferischer Motive jucken sollte."

Weniger wettkämpferisch ging es um den Eigergipfel zu. Der Schweizer Bergführer Christian Almer hatte ihn mit einem Kollegen und einem jungen Engländer  am 11. August 1858 erstbestiegen. Bereits ein Jahr vorher hatte er es versucht, doch dann war der Gipfel zu abweisend. Gleichzeitig glänzte in strahlendem Weiß und umso einladender der Gipfel des ebenso unbestiegenen Mönch vor ihm. Zudem war dieser mehr als 100 Meter höher und - im Gegensatz zum Eiger - sogar ein Viertausender! Den Eiger sparte er sich also für das nächste Jahr auf - denn schließlich ging es um den Gipfel ganz und gar nicht so wettkämpferisch zu wie um seine verfluchte Nordwand!


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