Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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11. Juni 1899 Leo XIII. fördert Verehrung des Herzens Jesu

Leo XIII. war ein moderner Papst, der für Demokratie und Arbeiterrechte offen war, aber auch für traditionelle Marienfrömmigkeit und das Rosenkranzgebet. Am 11. Juni 1899 weihte er die Menschheit dem Herzen Jesu.

Stand: 11.06.2013 | Archiv

11 Juni

Dienstag, 11. Juni 2013

Autor(in): Christian Feldmann

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Angela Smets

Redaktion: Thomas Morawetz

Heute findet man sie eigentlich nur noch in südlichen Ländern: die sentimentalen Aufgipfelungen traditioneller Frömmigkeit wie die zartblau bemäntelte Madonna mit dem Kranz von zwölf blinkenden Sternen über dem Porzellankopf, oder den Christus mit dem sanft vorwurfsvollen Blick, in dessen aufgerissener Brust ein blutrotes Herz hektisch flackert: ein Wunder der Elektrik. Wunderlich erscheint freilich auch, dass diese hochemotionale, mystisch aufgeladene Herz-Jesu-Religiosität ausgerechnet dem ersten wirklich modernen Papst ihr Leben verdankt: Leo XIII., der die soziale Frage als Herausforderung erkannte und die Kirche mit der zeitgenössischen Kultur ins Gespräch bringen wollte.

Leone senza dente

Graf Gioacchino Pecci, wie er mit bürgerlichem Namen hieß, stammte aus dem Sieneser Kleinadel. Er war Nuntius in Brüssel gewesen und hatte keineswegs immer das Wohlgefallen der römischen Zentrale gefunden. Als er in Perugia als Bischof amtierte, setzte ihn der damalige Kardinalstaatssekretär Antonelli auf die Liste der Oberhirten, die man ketzerischer Anschauungen verdächtigte. Und dann galt dieser Bischof Pecci auch noch als kränklich und hinfällig. Als er 1878 überraschend zum Papst gewählt wurde und sich "Leo" nannte, mit 69 Jahren, verpassten ihn die boshaften Römer den Spitznamen "Leone senza dente", zahnloser Löwe, und schätzten ihn als Übergangspapst ein. Doch dann regierte der zahnlose Löwe 26 Jahre, wurde 93 Jahre alt und sorgte für ein ungeahnt gesprächsoffenes Klima im Vatikan.

Leo dichtete eine Hymne auf den Fotoapparat, begrüßte das beginnende Zwanzigste Jahrhundert mit einer weiteren begeisterten Ode und machte Schluss mit der Abschottungspolitik seiner Vorgänger. Er forderte die Katholiken auf, in staatspolitischer Verantwortung mit "allen anständigen Menschen", wie er sagte, zusammenzuarbeiten, und ermunterte die Arbeiter dazu, sich zu organisieren.

Dass Leo XIII. die Marienfrömmigkeit, das Rosenkranzgebet und die damals gerade erst in Mode gekommene Verehrung des Herzens Jesu kräftig förderte, stand überhaupt nicht im Widerspruch zu solchen modernen Ideen. Denn privates Gebet und politisches Engagement, der Kampf für eine öffentliche Präsenz der Kirche und die Verteidigung der Arbeiterrechte, all das sollte ja dem Glück der Menschen dienen und der Entfaltung ihrer individuellen Würde, und dazu gehörte die politische Teilhabe ebenso wie die religiöse Freiheit.

Schwülstig veranlagte Zeit

Als Geschenk des guten Gottes verstanden gab es in jener etwas schwülstig veranlagten Zeit eben kein besseres Symbol als das vor Leidenschaft glühende, von der Kreuzeswunde blutende Herz des Gottmenschen Jesus. Galt doch das Herz in der Medizin, Theologie und Volksfrömmigkeit als pulsierendes Zentrum des Lebens. Auf dem Pariser Montmartre baute man damals mit Hochdruck an der Basilika Sacre Coeur, "heiliges Herz Jesu", die unter anderem der Sühne für die Untaten politischer Revolutionäre dienen sollte.

Als Papst Leo am 11. Juni 1899 in der Capella Paolina des Vatikans die Menschheit - Christen wie Heiden - dem Herzen Jesu weihte, verstand man das als Akt mit hohem symbolischem Wert an der Schwelle zu einem neuen Jahrhundert.


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