Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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11. April 1983 "Gandhi" erhält acht Oscars

300.000 Statisten, unter ihnen knapp 200.000 Freiwillige. Ben Kingsley als Gandhi. Und ein Film, der wie seine Titelfigur ein Plädoyer für Gewaltlosigkeit und die Würde des Menschen ist. Autorin: Prisca Straub

Stand: 11.04.2016 | Archiv

11 April

Montag, 11. April 2016

Autor(in): Prisca Straub

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Der Film ist aus - und jetzt ist sich Richard Attenborough ganz sicher: Sein "Gandhi" - hat keine Chance! - Gar keine! "E.T." wird das Rennen machen. Der Außerirdische mit den großen Kulleraugen ist einfach das bessere Film-Sujet - und was Steven Spielberg sich alles an technischen Tricks hat einfallen lassen - "ein Genie!" Geknickt verlässt der knapp 60-Jährige "Gandhi"-Regisseur eine "E.T."-Vorstellung in Los Angeles. Bald ist Oscarverleihung.

Ein Außerirdischer oder ein indischer Freiheitskämpfer?

Was Attenborough nicht wissen kann - dem Konkurrenten und viel jüngeren Spielberg ergeht es kaum besser: Er hat "Gandhi" gesehen. Und jetzt sieht auch er den Oscars mit gemischten Gefühlen entgegen. Immerhin geht "Gandhi" mit unglaublichen elf Nominierungen an den Start - ein dreistündiger Monumentalfilm, mit Tausenden von Statisten und einem exzellenten Ben Kingsley in der Hauptrolle. Gandhi, ein charismatischer indischer Freiheitsheld, als Konkurrent für ein mitleiderregendes Alien, das drei Millionen Lichtjahre von Zuhause entfernt ganz allein auf Planet Erde zurückgelassen wurde?! Hat Spielberg da überhaupt eine Chance? Andererseits: "E.T.", die vermeintliche Unterhaltung für Kinder, wurde immerhin neunmal nominiert. So scheint in Los Angeles alles auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hinauszulaufen. Es ist der 11. April 1983.

Gegeneinander treten an: der indische Guru und ein zerknitterter Außerirdischer. Beide etwa gleich groß, beide schmächtig, beide kahlköpfig. Während der eine vor seinen Widersachern im Schrank versteckt werden muss, predigt der andere vor Hundertausenden. Während der eine mit leuchtender Fingerspitze kleine Blessuren heilt, zwingt der andere mit Gewaltlosigkeit eine Weltmacht in die Knie. Und während der eine mit einem einsamen, kleinen Menschenjungen aus zerrüttetem Elternhaus Freundschaft schließt - und unbedingt nach Hause telefonieren möchte - schafft der andere eine lebenswertere Heimat für Millionen. Zwei echte Wundertäter also - es hätte kein ergreifenderes Aufeinandertreffen geben können.

Acht Oscars!

Und - Ladies and Gentlemen - es gewinnt  - "Gandhi"!! Mit großem Abstand und acht Oscars in allen wichtigen Kategorien: bester Film, beste Regie, bester Hauptdarsteller. Und "E.T."? - Er sammelt nur vier Auszeichnungen ein - in den unbedeutenderen Sparten wie Tonschnitt und Spezialeffekte. Was für ein nervenaufreibender Abend für die beiden konkurrierenden Regisseure! Doch noch bevor Attenborough wie im Rausch aufs Podium taumelt, geht er zu Spielberg, umarmt den jüngeren Kollegen und flüstert: "Das ist nicht richtig! - Das sind Deine Oscars!" Bei der Dankesrede kämpft er mit den Tränen.

Es wird noch über zehn Jahre dauern, bis auch Steven Spielberg die begehrte Auszeichnung bekommt: sieben Oscars für "Schindlers Liste". Aus demselben Jahr - 1993 - stammt auch der kommerziell erfolgreichste Film seiner Karriere: "Jurassic Park" - ehrgeizige Gänsehaut-Fiction rund um einen durchgeknallten Multi-Milliardär, der die Gentechnik für sich entdeckt. Für diese Rolle engagiert Spielberg übrigens einen ganz besonderen Freund: Der Mann, der den Saurierpark zu neuem Leben erweckt, ist Richard Attenborough.


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