Bayern 2 - Das Kalenderblatt


1

10. Juli 1835 Henryk Wieniawski geboren

Der polnische Geiger und Komponist Henryk Wieniawski war ein Wunderkind und als Erwachsener ein berühmter Virtuose. Da er spielsüchtig war, verlor er sein Geld in den Casinos und starb mittellos.

Stand: 10.07.2012 | Archiv

10 Juli

Dienstag, 10. Juli 2012

Autor(in): Susanne Tölke

Sprecher(in): Andreas Wimberger

Redaktion: Petra Herrmann

Als der Teufelsgeiger Paganini starb, im Jahr 1840, beklagten die Zeitungen, dass es nie wieder einen Virtuosen geben werde, der mit solchem Temperament und solch irrwitziger Schnelligkeit würde spielen können. Doch der Nachfolger war schon geboren: Er kam am 10. Juli 1835 im polnischen Lublin zur Welt. Und es war auch nur kurze Zeit seit Paganinis Tod vergangen, da machte er schon das erste Mal auf sich aufmerksam. Ganze acht Jahre zählte Henryk Wieniawski, als er sich zur Aufnahmeprüfung am Pariser Konservatorium meldete, der jüngste Kandidat, der jemals die Prüfung bestand. Mit elf hatte er das Abschlussdiplom als Geiger in der Tasche und bekam obendrein die Goldmedaille als bester Absolvent. Schon nach den ersten Konzerten wurde er mit Ovationen gefeiert. Die Fürsten, vor denen er spielte, behängten ihn mit Orden: der König von Schweden verlieh ihm den Wasa-Orden, der preußische König die Goldmedaille für Kunst und Wissenschaft, der russische Zar den Orden der Heiligen Anna, der König der Niederlande den Orden der Eichenrinde. Viel Ehre, aber nichts, was man hätte zu Geld machen können. Das dachte sich auch Mr. Thomas Hempton, den der junge Künstler bei einem Konzert-Aufenthalt in England um die Hand seiner Tochter bat. Ein Pole, und wie der Kerl schon aussah!

Ein polnischer Teufelsgeiger

Pechschwarze wallende Mähne, schwarze Augen, schwarzer Schnauzer, schwarzer Kinnbart, der Rest bleich und mager - nicht gerade der Traum eines Brautvaters. Doch nun komponierte Henryk eigens für Mr. Hempton das Musikstück "Legende", das in schmelzenden Tönen die Liebe zu Isabel Hempton beschrieb. Und natürlich spielte er selbst. Das soll das Herz des Schwiegervaters so gerührt haben, dass er seine Zustimmung doch noch gab.

Wieniawskis Begabung muss eine hinreißende Mischung aus polnischer Melancholie und Pariser Eleganz gewesen sein, die vorangetrieben wurde von einem wilden Temperament. "Ohne Risiko geht es nicht", war sein Motto, dem die Lebendigkeit und der Schwung des Vortrags wichtiger war als die notengetreue Präzision. Leider packte ihn die Lust am Risiko auch am Spieltisch, und dann verlor er in einer Nacht alles, was er auf seinen Konzertreisen verdient hatte, einmal versetzte er sogar seine Guarneri. Unter Geigern machte das Gerücht die Runde, Wieniawski habe, nachdem er beim Pokern gegen den belgischen Geiger Henri Vieuxtemps verloren hatte, sich verpflichtet, ein Musikstück für ihn zu komponieren.

Die Erfindung der Polonaise mit Orchester

So sei die Polonaise mit Orchester entstanden, die Vieuxtemps als sein eigenes Werk ausgab. Wieniawski bezahlte die Spielsucht mit seiner Gesundheit. Er war unterwegs von Norwegen bis in die Türkei, von Russland bis in die USA. In Amerika gab er 215 Konzerte in acht Monaten. Als in New York die ersten Symptome einer Herzerkrankung auftraten, mahnten ihn die Ärzte zur Ruhe.

Aber die hohen Spielschulden ließen sich nur durch viele Auftritte begleichen. Sein letztes Konzert in Moskau konnte der 45jährige nur im Sitzen absolvieren, danach brach er zusammen. Nadeschda von Meck, die Gönnerin Tschaikowskys, nahm den völlig mittellosen Künstler bei sich auf, in ihrem Haus ist er wenige Tage später gestorben. Geblieben sind seine Kompositionen, die er für den eigenen Konzertgebrauch schrieb. Sie sollten nicht nur künstlerischen Wert demonstrieren, sondern auch den höchsten Schwierigkeitsgrad, wie zum Beispiel das 1. Violinkonzert in fis-moll, das er als Achtzehnjähriger komponierte. Wahrscheinlich können das nur Polen richtig spielen, so wie hier Michael Rabin ...


1