Der Wille ist stark. Und die Hand ist schwach. Schafft es nicht diesen einen kleinen Knopf zu drücken. Diesen roten links oben. Off, aus.

Ach, eine Folge noch.

… Gerade ist King Joffrey vergiftet worden, er hat´s verdient, aber wie geht es jetzt weiter in "Game of Thrones"?

… Gerade ist der Showdown zwischen Walter und Jesse…und das ist seit 10 Folgen Breaking Bad überfällig!

… Aber gerade ist Mutter Beimer in der Lindenstraße Witwe geworden! In Folge 1559!

… Haben diese Drehbuch-Autoren eine Ahnung davon, in welchem Gefühlschaos sie die Zuschauer zurücklassen, wenn sie von einer Minute auf die andere einen Charakter auslöschen? Haben sie natürlich. Deshalb machen sie´s ja auch. Sitzen an ihren Schreibtischen und spielen Götter im Olymp: "Das Mauerblümchen aus Staffel 3 hat noch Potenzial - Die verdreht in Staffel 5 allen den Kopf….Oder nein, anders: die springt verzweifelt von der Brücke."

Eine Folge noch

"Was? Das geht ja wohl nicht! Und was kommt dann?"  betteln erwachsene berufstätige Menschen, die viel zu lange vor dem Bildschirm sitzen, und ihre Hand schafft es wieder nicht bis hoch zum kleinen roten Knopf sondern nur bis "Play". Ach, eine Folge noch!  Finanzbeamte warten auf Steuererklärungen, Kinder haben keine Pausenbrote, Waschmaschinen schimmeln. Serienjunkies schämen sich, und schauen weiter. 

Lachen sie sich tot, klatschen sie sich ab, die Drehbuchgötter? "Wie wir sie in der Hand haben!"

Auch Götter sind nicht unverwundbar. Tony Warren hat es erwischt, den Serienpionier. Erfinder der britischen Fernsehsoap "Coronation Street". Am 9. Dezember 1960 hat er die Fernsehzuschauer angefixt, mit der ersten Folge von  "Coronation Street" auf ITV.

Hat sie quasi einziehen lassen in ein Arbeiterviertel bei Manchester, in den Pub und die einfachen Wohnungen. Millionen Briten hat Autor Tony Warren über Jahrzehnte abhängig gemacht.

Sie mussten ertragen wie der Rebell Ken Barlow unzähligen Frauen das Herz gebrochen hat, sie mussten weinen, als die tapfere Vera Duckworth nach 6734 Episoden sanft einschlief und den Serientod starb . 

Never ending story

Womit Tony Warren nicht gerechnet hat: seine Fernsehsoap hat nie wieder aufgehört. Auch nicht, nachdem er längst ausgestiegen war. Coronation Street läuft bis heute. Erfinder - und Seriengott - Warren aber ist ganz menschlich  im März 2016 gestorben. Kurz vor seinem Tod hat er gestanden: "Ein halbes Jahrhundert lang haben mich die Charaktere aus Coronation Street heimgesucht." 

Aber für die Zuschauer gibt es ja diesen kleinen roten Knopf….Den muss man nur… Na klar bauen sie immer zum Schluss noch den Cliffhanger ein. BilligerTrick! Ist doch völlig egal wer King Joffrey umgebracht hat, Walter soll halt rumballern, und Mutter Beimer wird auch als Witwe durchkommen. So. Aus. Ruhe. Wieder was geschafft.