9. Juli 1827 Goethe äußert sich über die Pressefreiheit
Die in Frankreich geplante Einschränkung der Pressefreiheit irritierte den Dichter Goethe wenig. Er war am 9. Juli 1827 der Ansicht, dass sich der Geist sowieso nicht unterdrücken lasse. Auch war er kein uneingeschränkter Freund der freien Meinungsäußerung - vor allem wenn er selbst das Ziel der Kritik war.
09. Juli
Montag, 09. Juli 2012
Autor(in): Gabriele Bondy
Sprecher(in): Ilse Neubauer
Redaktion: Brigitte Reimer
In Paris hatten die Bourbonen begonnen, die Errungenschaften der Französischen Revolution zu demontieren. Die Einschränkung der Pressefreiheit stand auf dem Programm. Das sorgte naturgemäß auch am Weimarer Frauenplan für Wortgefechte. Eckermann macht’s möglich, dass wir Nachgeborenen Kunde davon bekommen haben, was sein Herr und Meister damals dazu meinte und schrieb es auf - am 9. Juli 1827. "Es war ein reichhaltiges Thema, wobei sich Goethe wie immer als milder Aristokrat erwies ..." sprich: Er fand die Sache nicht so tragisch. Sein Gesprächspartner dagegen, der Kanzler Müller, war demokratisch gesinnt und "hielt auf der Seite des Volkes fest."
Auch in seiner "Sturm- und Drang-Zeit" hatte der Dichter ja nie als Revoluzzer geglänzt. Warum also sollte er nun im Alter auf die Barrikaden steigen. Und um die Franzosen war ihm eh nicht bang: "Sie stehen auf einer solchen Höhe welthistorischer Ansicht, dass der Geist auf keine Weise mehr zu unterdrücken ist." Daheim, im Herzogtum Sachsen - Weimar - Eisenach, war es auch nicht schlecht bestellt um die Menschenrechte. Schließlich hatte Carl August seinen Untertanen längst eine fortschrittliche Verfassung gewährt. Pressefreiheit inklusive. Das zog liberal und national gesinnte Blattmacher förmlich an. Was anderswo nicht gedruckt werden durfte, erschien dann hier. Mitunter musste das Recht auf freie Meinungsäußerung allerdings vor Gericht erstritten werden, weil Excellenz von Goethe Einwände erhoben. Sein Argument? Dass manches doch viel geistreicher wirke, wenn man es "durch die Blume" sage. "Eine Opposition, die keine Grenzen hat, wird platt." Doch mochte der Staatsminister noch so insistieren, sein Fürst war nicht bereit, Recht und Gesetz dem Freund zuliebe zu beugen. So tröstete sich dieser damit, "dass bei soviel Pressefreiheit uns doch auch die Nicht-Lesefreiheit bleiben müsse."
Scherz, Satire und Ironie sind Goethe ja nie fremd gewesen ... es sei denn ein anderer brachte sie - gegen ihn - ins Spiel. Beispielsweise der vorlaute Böttiger, der sich doch immer allerhand herausnahm ... was übrigens auch andere Geistesgrößen aus Klassik und Romantik in Rage bringen konnte. Böttigers Verriss einer Theaterinszenierung Goethes war schon im Satz und sollte in Bertuchs "Journal des Luxus und der Moden" erscheinen, als der Allmächtige vom Weimarer Frauenplan davon Wind bekam. Ein Donnerwetter ging los, das bühnenreif gewesen sein muss ... Goethe zog alle Register. Drohte gar mit dem Eingreifen des Herzogs und - damit nicht genug - auch mit der Niederlegung der Intendanz: "Denn ich will entweder von dem Geschäft sogleich entbunden oder für die Zukunft vor solcher Infamie gesichert sein!" -
Verleger Bertuch kuschte. Das Stück besprach dann ein anderer. - Goethe, wer sonst? Kein Eigenlob ... wo denken Sie hin! Er nutzte die Gelegenheit, den Lesern seine kulturpädagogischen Ziele zu verklickern. Und die beinhalteten, dem Publikum auch unbequeme Aufführungen zuzumuten. Keine Possen - sondern Bildungstheater eben. - Karl August Böttiger übrigens, jener aufmüpfige Erstrezensent, schrieb in Weimar fortan keine Theaterkritiken mehr.