Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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9. Mai 1671 Die englischen Kronjuwelen werden beinahe geraubt

Ein irischer Abenteurer, dem es beinahe gelingt, die Kronjuwelen England zu stehlen und dafür auch noch belohnt wird? Ein Märchen! Nein, wahre Geschichte! Autor: Klaus Uhrig

Stand: 09.05.2017 | Archiv

09 Mai

Dienstag, 09. Mai 2017

Autor(in): Klaus Uhrig

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Manche Sachen passieren eigentlich nur im Märchen. Dass einer einen Drachen erschlägt und für seinen Mut belohnt wird, mit einer Königstochter und dem halben Königreich. Dass eine sich heimlich auf einen Ball schleicht, ihren Schuh verliert, und am Ende Prinzessin wird. Oder dass einer den größten Schatz des Königs stiehlt und erwischt wird, und der König so beeindruckt ist von der Tollkühnheit dieses Diebes, dass er ihn laufen lässt.

Der diebische Priester

Wobei, das zumindest ist gar kein Märchen. Das ist allen Ernstes wirklich passiert.

Es ist etwa sechs Uhr morgens, am 9. Mai im Jahr 1671, als sich Thomas Blood ein Priestergewand überzieht, darin ein paar Dolche, Pistolen und einen Holzhammer versteckt, und sich mit vier Komplizen auf den Weg zum Tower of London macht. In dieser unbezwingbaren Festung werden damals wie heute die Kronjuwelen aufbewahrt.

Um zu den Kronjuwelen vorzudringen, hatte sich der Abenteurer Thomas Blood einen tollkühnen und ausgesprochen komplizierten Plan ausgedacht. Bereits einige Wochen zuvor war Blood in die Rolle eines anglikanischen Priesters geschlüpft. Er hatte eine Schauspielerin angeheuert, die sich als seine Frau ausgab, und mit ihr gemeinsam die Kronjuwelen besichtigt. Dabei hatte die Schauspielerin einen Ohnmachtsanfall vorgetäuscht, um den Juwelenwächter Talbot Edwards dazu zu bringen, sich um sie zu kümmern und so die Basis für eine Freundschaft zwischen dem falschen Priester und dem Wächter zu legen. Was klingt, wie der Plot eines leicht bescheuerten Kostümfilms, funktioniert erstaunlicherweise. Der Kronjuwelen-Wächter und der angebliche Kirchenmann freunden sich über die nächsten Wochen hinweg an.

So schöpft Edwards auch keinen Verdacht, als Thomas Blood eines Morgens mit ein paar Begleitern vor der Tür seiner Dienstwohnung steht, und vorschlägt, seine Freunde doch mal eben einen Blick auf die Kronjuwelen werfen zu lassen.

Dann geht alles ganz schnell: Kaum hat Edwards die Türe zum Juwelenraum geöffnet, schlägt Blood ihn mit seinem Holzhammer nieder. Dann haut Blood mit dem Hammer die Krone platt, um sie besser verstecken zu können. Ein Komplize zersägt das Zepter und der andere stopft sich den Reichsapfel in seine Hose. Die Juwelenräuber schaffen es, aus dem Keller zu fliehen, doch vor dem Tower werden sie von der Garde gefangen genommen.

Ländereien für den Räuber

Was dann passiert, hat wirklich niemand erwartet: König Charles höchstpersönlich begnadigt Thomas Blood - angeblich, weil er so begeistert vom Mut des tollkühnen Räubers ist. Und als ob das noch nicht genug ist, schenkt ihm der König auch noch wertvolle Ländereien in Irland.

Da diese Geschichte aber eben kein Märchen ist, sondern ganz real, hat der König wohl ganz praktische Gründe, Thomas Blood am Leben zu lassen: Er kann den talentierten Draufgänger selbst gut gebrauchen und baut ihn in den Folgejahren zu einer Art Gentleman-Spion im Auftrag der Krone auf. Mit den Jahren erwirbt Blood einen dermaßen legendären Ruf, dass die Behörden nach seinem Tod sogar seinen Leichnam exhumieren lassen: Sie wollen ganz sicher gehen, dass der Kronjuwelen-Räuber seinen Tod nicht nur vorgetäuscht hat.


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