Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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6. April 1969 Wally Herbert erreicht den Nordpol zu Fuß

Es waren schon Helden vor Wally Herbert am Nordpol…aber nicht zu Fuß. Und sie waren auch nicht wirklich da, denn knapp daneben ist auch vorbei. Autorin: Birgit Magiera

Stand: 06.04.2017 | Archiv

06 April

Donnerstag, 06. April 2017

Autor(in): Birgit Magiera

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Wer war eigentlich der erste Mensch am Nordpol? Bei Eis, Schneesturm und Männern mit erfrorenen Zehen fallen einem zuerst Scott und Amundsen ein. Aber die waren beide am Südpol, in der Antarktis. Wo im kollektiven Gedächtnis leben die Helden der Arktis? Auch der Nordpol war in der Zeit nach 1900 eine begehrte Trophäe für ehrgeizige Abenteurer. Und auch hier haben sich zwei Männer einen Wettlauf geliefert: Robert Peary und Frederick Cook. Beide Amerikaner, anfangs Kameraden, später Konkurrenten. Nach ihrer Rückkehr wurde der Wettlauf zum Nordpol zur schmutzigen PR-Schlacht: beide schrien "Erster!!", reklamierten den Sieg also für sich und unterstellten dem jeweils anderen Betrug. Expeditionsbegleiter wurden befragt, Messdaten und Notizen geprüft und - Robert Peary schließlich vom US Kongress zum Erst-Bezwinger des Nordpols erklärt. Abgehakt. 

Von Hunden und Menschen

Dann hat Jahrzehnte später, Ende der 1960er-Jahre, Walter William Herbert einen Plan: Der britische Forscher will das Eismeer komplett durchqueren, mit dem Nordpol als Etappenziel und auf Hundeschlitten. Die Vorbereitungen dauern jahrelang. Wally Herbert nimmt einen ehemaligen Sanitätsoffizier mit, außerdem einen Fotografen und einen Gletscher-Experten. Und vierzig Huskys, die die Männer auf Schlitten ziehen. Risse im Eis und Schmelzwasser zwingen die Gruppe immer wieder zu Wegänderungen. Versorgt wird der kleine zähe Trupp alle paar Wochen aus der Luft. Die größte Gefahr auf dem Weg übers zugefrorene Polarmeer sind nicht die Minus 20-30 Grad Durchschnittstemperatur. Es sind die Eisbären. Immer wieder müssen die Männer einen Bären erschießen. Das Fleisch bekommen die Hunde zu fressen. Wally Herbert und seine Begleiter erreichen nachweislich den Nordpol am 6. April 1969. Und sie kommen lebend wieder zurück in die Zivilisation. Stolz, Freude, Schulterklopfen. Aber es ist eben nur ein weiterer Besuch am Nordpol. Während fast gleichzeitig die ersten Menschen auf dem Mond herumspazieren.

Und wer war jetzt wirklich der Erste?

Dann, Mitte der 80er-Jahre, geben die Erben des Nordpol-Ersten Robert Peary dessen Tagebuch frei. Wally Herbert darf die Unterlagen studieren. Und was er entdeckt, verschlägt ihm den Atem: Unter dem Datum, an dem Peary damals den Nordpol erreicht haben will, steht: - nichts. Nur eine leere Seite. Kein Eintrag an dem großen Tag. Wally Herbert vergräbt sich in die Papiere. Fragen werden neu gestellt: Warum nahm Peary auf die letzten Etappen nur Begleiter mit, die sich nicht mit Positionsbestimmung auskannten? Wie schafften die Männer die enormen Tagesetappen? Und was sagt der Schattenwurf auf den angeblichen Beweisfotos über den Ort der Aufnahme aus? Am Ende findet Wally Herbert raus: Weder Peary, noch dessen Konkurrent Cook waren jemals am nördlichsten Punkt der Erde. Beide verfehlten den Pol deutlich. Und wahrscheinlich wussten beide auch um ihre Niederlage. Wally Herbert aber stellt fest: Hey, dann bin ich selbst ja der erste Mensch, der nur mit Hilfe von Schlittenhunden den Nordpol erreicht hat. Am 6. April 1969!


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