Bayern 2 - Das Kalenderblatt


1

6. Februar 1793 Goldoni kriegt endlich Rente und stirbt

Carlo Goldoni - er revolutionierte das fad gewordene Theater seiner Zeit und trieb den Leuten die Langeweile aus. Und wie hat man's ihm gedankt? Sehr schlecht. Erst am 6. Februar 1793 bekam er eine Pension. Zu spät.

Stand: 06.02.2012 | Archiv

06 Februar

Montag, 06. Februar 2012

Autor(in): Herbert Becker

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Redaktion: Thomas Morawetz

Das Fernsehen bräuchte dringend einen Goldoni. Nein: So ziemlich jeder von den vielen Sendern, die wir empfangen können, bräuchte einen Goldoni. Oder mehrere! Denn diese Familienserien, die sie uns ständig vorsetzen, diese Soaps, Sitcoms und Telenovelas sind einfach zum Heulen. Immer das gleiche! Die Talkshows: wieder und wieder dieselben Nasen, die da im Kreis hocken. Die Krimis: Nach spätestens drei Minuten liegt die erste Leiche da, nach zehn Minuten wird gefragt: "Wo waren sie gestern Abend zwischen sieben und zehn", je-des-mal - wahrscheinlich aus Angst, etwas anderes könnte die Einschaltquote senken. Es ist grauenhaft - aber nicht neu.

Fade Witze!

In der Republik Venedig sah es vor dreihundert Jahren ganz ähnlich aus. Da schlug man sich in den Volksbühnen vor Vergnügen auf die Schenkel, wenn der naive Arlecchino mit seinem Mantel aus bunten Flicken und der verschlagene Brighella im Livreé ihre Witze machten. Seit fast eineinhalb Jahrhunderten trugen die Schauspieler der Commedia dell’arte die gleichen Masken und bewegten sich nach einem Muster, das so genau festgelegt war wie die Handlung der ewigen Liebes- und Verwechslungskomödien.

Aber dann kam Goldoni! Carlo Goldoni. Sein Vater war ein Arzt, der viel in Oberitalien herumreiste und ihn überall mit hinnahm, nach Padua, nach Modena, nach Udine - und ins Theater! Der Junge liebte das Theater. Einmal, als die beiden nach Perugia kamen, fragte er, ob es dort ein Schauspielhaus gäbe. Es gab keines, also wollte er sofort zurück nach Venedig, in die Stadt, in der mehr Theater und Opernhäuser existierten als irgendwo sonst, und die im Karneval selbst zu einem riesigen Lustspielhaus wurde.

Endlich - Goldoni!

Als junger Mann schloss sich Goldoni einer Commedia dell’arte-Truppe an, schrieb Texte und Lieder für sie, verfasste Stücke für andere Truppen und studierte nebenbei Jura. Weil er ein solides Leben führen wollte, eröffnete er eine Kanzlei. Da klopfte eines Tages jemand an, der ein neues Theaterstück brauchte. Goldoni lehnte ab; er konnte seine gut zahlenden Klienten nicht im Stich lassen. Aber den Theatermann auch nicht. Also gut, sagte er, dieses eine Mal, und schrieb ein Stück. Es hieß "Diener zweier Herren" - und wurde ein Riesenerfolg. Goldoni sperrte seine Kanzlei zu und verfasste fortan Komödien. Komödien, in denen kein Arlecchino vorkam, und kein Brighella, und in denen niemand eine Maske trug. Stattdessen ließ Goldoni Kaufleute, Mägde, Wirtsleute und Marktfrauen auftreten - Menschen, die den venezianischen Dialekt der Zuschauer sprachen und die die gleichen Probleme hatten wie sie. Das Publikum war hingerissen.

137 Komödien schrieb Goldoni. Doch weil Tantiemen zu seiner Zeit noch unbekannt waren und ihm keine Pension bewilligt wurde, verdiente er nicht viel daran. Da bot ihm die Pariser Comédie Italienne einen lukrativen Vertrag an, Goldoni folgte dem Ruf - und verbrachte über dreißig Jahre in der französischen Hauptstadt. Erfolg war ihm dort kaum beschieden. Zuletzt verdiente er sein Geld als Italienischlehrer. Endlich, am 6. Februar 1793 - Goldoni war fast 84 Jahre alt - entschloss sich der Nationalrat, ihm eine Pension zu zahlen. Leider erfuhr er das nicht mehr, denn er starb am selben Tag.

Heute hätte ein Schreiber, der das Unterhaltungswesen revolutioniert, weit bessere Chancen, angemessen belohnt zu werden. Aber wo ist der Erneuerer? Woher wird uns ein neuer Goldoni? Ach...


1