Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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4. August 1609 Ein Hurrikan inspiriert Shakespeare zu "der Sturm"

Eine Inselgruppe voller Teufel und Hexen. Übel, wenn ein Sturm einen dort stranden lässt. Das passiert nicht nur in Shakespeares Drama, sondern auch im "richtigen Leben". Autor: Carola Zinner

Stand: 04.08.2015 | Archiv

04 August

Dienstag, 04. August 2015

Autor(in): Carola Zinner

Sprecher(in): Andreas Wimberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Die besten Nachrichten sind schlechte Nachrichten, so lautet das Motto der Branche. Und tatsächlich stößt es beim Publikum auf weit weniger Interesse,
wenn es zum Beispiel heißt, dass sich in vielen Regionen Deutschlands die Wasserqualität verbessert hat oder Butter doch nicht ungesund ist, als wenn ein Kapitän versehentlich sein Kreuzfahrtschiff gegen das Ufer einer Insel steuert oder ein Flugzeug spurlos im asiatischen Luftraum verschwindet. In solchen Fällen können sich die Berichterstatter der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit sicher sein. So ist es, und so war es auch schon immer.

Die Inseln der Hexen und Teufel

Im Jahr 1610 kursierten in London neue Nachrichten von der “Sea-Venture“,
einem prächtigen Segler, der fast ein Jahr zuvor auf dem Ozean verschollen war. Es hieß, beinahe die gesamte Mannschaft samt Passagieren sei drüben in Virginia an der amerikanischen Küste wieder aufgetaucht. Noch spektakulärer war die Meldung, wo die Geretteten davor die ganze Zeit gewesen waren: auf den Bermudainseln, auf denen, wie jeder wusste, Hexen und Teufel wohnten, die mit fürchterlichen Zaubereien bisher jeden Landeversuch von Schiffen vereitelt hatten.

Die "Sea-Venture",  Admiralsschiff von Sir George Somers, war Teil jener englischen Handelsflotte gewesen, die im Juni 1609 von Plymouth aus in die neu gegründete Siedlung Jamestown in Virginia aufgebrochen war, um Auswanderer, Proviant und Ausrüstung dorthin zu bringen. Dann aber hatte Anfang August ein schrecklicher Sturm über dem Meer getobt. Der größte Teil der Flotte hatte ihn überstanden, die Sea-Venture aber war spurlos verschwunden. Nun erschien also ein aufsehenerregender Bericht, in dem die Überlebenden schilderten, wie es ihnen ergangen war: "Entdeckung der Bermudas, auch genannt Insel der Teufel. Von Sir Thomas Gates, Lord George Somers und Kapitän Newport,
mit verschiedenen anderen".

Hier war genau nachzulesen, wie das Wasser in der leck geschlagenen
“Sea Venture“ immer höher stieg, bis Admiral Somers keine andere Möglichkeit mehr sah, als die von gefährlichen Felsen umgebenen Bermudainseln anzusteuern. Dort manövrierte er den Segler derartig geschickt in die Riffe, dass er genau zwischen zwei Felsen stecken blieb. Passagiere und Mannschaft konnten so zu Fuß an Land gehen, richteten sich dort häuslich ein und zimmerten mit Hilfe von Material, das sie nach und nach aus dem Wrack holten, mehrere Boote, mit denen sie schließlich neun Monate später ihre Reise nach Virginia fortsetzten.

Allerdings hatte es ein paar Verluste gegeben: einige Menschen waren auf der Insel eines natürlichen Todes gestorben, außerdem hatte bereits vor dem gemeinsamen Aufbruch ein erster Trupp die Insel verlassen, um Hilfe zu holen; von ihm wurde nie wieder etwas gehört. 

Schlechte Nachrichten sind die besten…

Ein großes Abenteuer also mit Toten und Überlebenden, wo Mut, Können und Schicksal eine Rolle spielten, ein gigantisches Unwetter und ein bisschen Zauberei: so sieht nicht nur eine perfekte Nachricht aus, es ist auch der Stoff,
aus dem die Schriftsteller ihrer Dramen schmieden.

"Der Sturm", so heißt das 1611 entstandene Stück von William Shakespeare, das auf einer verzauberten Insel im Atlantischen Ozean spielt, wo ein Luftgeist einen Sturm entfacht, der das Schiff eines Königs von der übrigen Flotte trennt und hier stranden lässt.

Ja, das Leben schreibt doch immer noch die besten Geschichten. Vermutlich ist das der Grund, warum Nachrichten sich so großer Beliebtheit erfreuen. Vor allem schlechte. Am beliebtesten aber sind schlechte Nachrichten, die ganz am Schluss dann doch noch ein Happy End haben. Von denen spricht man manchmal noch vierhundert Jahre später.


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