Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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3. Dezember 1926 Agatha Christie verschwindet spurlos

Rätselhaft - am Abend des 3. Dezember 1926 verschwindet die junge Krimi-Autorin Agatha Christie spurlos. Was steckt dahinter? Ein Unfall, ein Verbrechen, eine Liebestragödie?

Stand: 03.12.2012 | Archiv

03 Dezember

Montag, 03. Dezember 2012

Autor(in): Isabella Arcucci

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Redaktion: Thomas Morawetz

Am Abend des 3. Dezember 1926 verschwindet die Kriminalschriftstellerin Agatha Christie. Ihr Wagen wird kopfüber in einem Straßengraben in der Grafschaft Surrey aufgefunden, von ihr selbst fehlt jede Spur. Die Presse ist sofort in Höchststimmung: Eine junge Krimiautorin, die gerade ihre ersten großen Erfolge feiert, verschwindet scheinbar ins Nichts und hinterlässt eine kleine Tochter und einen Ehemann.

Höchst verdächtig

Letzterer ist in Superintendent Kenwards kurzsichtigen Augen höchst verdächtig. Archibald Christie wirkt verloren in dem riesigen, kalten Anwesen, das die Familie im schicken Sunningdale bewohnt. Doch ist das die Verzweiflung eines liebenden Ehemannes, die aus den grauen Augen spricht, mit denen Mr. Christie ins Kaminfeuer starrt? Oder hat er in den Flammen einen Beweis vernichtet? Superintendent Kenwards ritterschlagverdächtigem Spürsinn entgeht nicht, dass es da noch eine dritte Person gibt: brünett und schlanker als Mrs. Christie. Einen Brief von Agatha, in dem sie mitteilt, sie wolle eine Kur in Yorkshire machen, ignoriert der Superintendent dagegen, denn in keinem Hotel dort wird eine Mrs. Christie als Gast gemeldet.

"Selbstlose" Freiwillige suchen nun unter Anleitung der Polizei zu tausenden mit Bluthunden und Schürhaken in Unterholz und Flüssen nach der Autorin raffinierter Mordgeschichten. Wurde sie getötet, war es Suizid? Die ganze Nation ist in Aufruhr. Doch alles Wühlen in Sümpfen bleibt ergebnislos.

Superintendent Kenward verfügt zwar über ein Heer freiwilliger Helfer, doch er besitzt nicht genügend "kleine graue Zellen", um die Situation richtig zu interpretieren. "Mais Monsieur, Sie müssen nur eins und eins zusammen zählen",  hätte Hercule Poirot wohl verschmitzt bemerkt. Poirot wäre nicht entgangen, dass in der Liste der Besucher des Kurortes Harrogate in Yorkshire, welche die dortige Zeitung wöchentlich abdruckte, keine Mrs. Christie, wohl aber eine Mrs. Neele aufgeführt war.

Nancy Neele war aber der Name der jungen Frau, für die Archibald Agatha verlassen wollte. Erst ein Hotelorchester brachte die Polizei auf die Spur, dass es sich bei Mrs. Neele um die vermisste Mrs. Christie handeln könnte.

Liebesbriefe und ein Psalm

Elf Tage nach ihrem Verschwinden meldet die Presse erbost, dass Agatha quicklebendig in Harrogate aufgetaucht sei. Das Verschwinden samt dem selbst in den Graben geschobenen Auto: ein von ihr inszenierter infamer PR-Gag. Agatha behauptete, in diesen Tagen unter stressbedingter Amnesie gelitten und selbst nicht mehr gewusst zu haben, wer sie war. Ob Poirot ihr das geglaubt hätte? Bis heute ist der Fall ungeklärt. Zeit ihres Lebens wurde Agatha vorgeworfen, sie habe sich bloß vor der Presse wichtigmachen wollen.

"Mais non, meine Herrschaften, Sie kennen nicht die menschliche Natur! Wenn Madame Christie unter dem Namen ihrer Rivalin in Harrogate weilte, dann wollte sie dort nur von einer Person gefunden werden: ihrem Mann." Vielleicht wäre Poirot zu diesem Schluss gekommen. Ihm wäre auch nicht der kleine Zettel entgangen, den Agatha noch nach der Scheidung gemeinsam mit Archibalds alten Liebesbriefen verwahrte und auf welchem sie Psalm 55, Vers 13 und 14 notiert hatte: "Hätte mich geschmäht nur mein Feind, ich hätte es wohl ertragen. (...) Du aber warst es, mein Mitgenoss, Du, mein Freund, mein Vertrauter."


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