Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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3. Februar 1758 Prachtschiff "Bucentaur" wird abgewrackt

Man kann manches tiefer legen. Oder einen Spoiler draufbauen. Boxen rein ist eine Idee. Oder außen noch einen Auspuff dran. Wie auch immer - der fahrbare Untersatz gehört gepimpt. Sagt die Jugend heute. Sagte früher - wenn auch in anderen Worten - der bayerische Kurfürst Ferdinand Maria.

Stand: 03.02.2015 | Archiv

03 Februar

Dienstag, 03. Februar 2015

Autor(in): Ulrich Trebbin

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Illustration: Angela Smets

Redaktion: Julia Zöller

"Ich kann auf alles verzichten", sagt Oscar Wilde, "nur nicht auf Luxus! " Und da ist er nicht der einzige: Für manchen ist Luxus das Lebenselixir. Der schicke Schlitten oder die hippe Hütte verschaffen einem ja nicht nur Annehmlichkeiten, sondern sie bescheinigen vor allem, dass man etwas ganz Besonderes, ja geradezu Einmaliges ist. Wer also seine Einmaligkeit nicht von innen heraus spürt,
der braucht eben Luxus.

Insbesondere Fürsten und Potentaten konnten sich immer schon kostspieligen Schnick-Schnack erlauben: Die philippinische Diktatoren-Gattin Imelda Marcos hat neben anderen Kleinigkeiten über tausend Paar Schuhe angehäuft, diverse Könige verherrlichten sich mit prunkvollen Schlössern von Sanssouci bis Versailles, und der bayerische Kurfürst Ferdinand Maria hat sich über die Geburt seines Thronfolgers Max Emanuel gleich so gefreut, dass er das Schloss Nymphenburg in Auftrag gab, die Theatinerkirche und obendrein noch eine der erlesensten Luxusyachten der Weltgeschichte:
Die Prunkgaleere "Bucentaur"- eine Nachbildung des venezianischen Bucintoro.

Hoch erfreut

Ferdinand Maria ließ also zwei Schiffskonstrukteure aus Venedig kommen, und die schufen in den 60er Jahren des 17. Jahrhunderts für den Starnberger See einen dreistöckigen Segeljagdkreuzer mit zwei Masten - natürlich in den Farben weiß und blau. Etwa 130 - nicht sichtbare! - Ruderer sorgten im Bauch des 29 Meter langen Seglers für zusätzliche Geschwindigkeit, 16 Böllerkanonen konnten Salutschüsse abgeben, und die Schaluppe war auch noch gar hübsch anzusehen. Ein Augenzeuge berichtet: "Vom Vorder- bis Hinterteil ist (der Bucentaur) (…) bis ins Wasser hinein vergoldet; es befindet sich auf dem Schiff eine Säulenhalle, vor der eine hohe und schöne künstliche Fontäne steht; von ihr kommt man in einen großen Salon und zwei Cabinete. Rings um das Schiff läuft eine Galerie in Gestalt eines Balkons; auch sie ist vergoldet und mit Gemälden verziert."

Auf diesen aquatischen Lüftlmalereien bayerischer Künstler waren übrigens Delfine zu sehen, Wassergötter und breitärschige Nixen, die im Wasser plantschen oder sich in Muscheln von Schwänen ziehen lassen; am Bug des Schiffes dann zwei goldene Sporne mit Löwenköpfen. Das kurfürstliche Leibschiff war also eine Art eierlegende Wollmilchsau: Kriegsschiff, Kunstobjekt, Ballsaal und Jagdhotel in einem! 500 Menschen konnten hier an Bord gehen, bis in die Nacht hinein tafeln und tanzen, Feuerwerke genießen, Lustseeschlachten beiwohnen und eigens in den See getriebene Hirsche erlegen.

Wollmilchsau im Wasser

Billig war das weißblaue Wasserwunder aber nicht gerade: Sagenhafte 18 tausend Gulden hat es gekostet! Dazu noch die Armada von Begleitschiffen! Und dann der Unterhalt! So nimmt es denn nicht wunder, dass Bayern nach knapp 100 Jahren einsah, dass man sich des kostspieligen Stückes würde entledigen müssen:
Am 3. Februar 1758 wird der Bucentaur folgerichtig und eiskalt abgewrackt.

Erhalten ist nur die Heckfigur der Prunkgaleere sowie ein immerhin zwei Meter langes Modell: Man kann es im Museum Starnberger See besichtigen. Und anschließend vielleicht noch eine Runde Tretboot fahren, ist auch ganz schön! Das wäre zwar nicht im Sinne von Oscar Wilde, aber dafür von Sokrates. Der sagt nämlich: "Genügsamkeit ist natürlicher Reichtum, Luxus ist künstliche Armut."


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