Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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3. Februar 1788 Goethe über den Umgang mit Frauen

Daheim ging nichts mehr, vor allem nicht mit den Frauen. Da packte Goethe heimlich seine Sachen und verschwand nach Italien, natürlich um der Kunst willen. Am 3. Februar 1788 schrieb er nachhause über die reizenden Mägde, die hier, in Rom, den Malern Modell standen.

Stand: 03.02.2010 | Archiv

03 Februar

Mittwoch, 03. Februar 2010

Autor(in): Gabriele Bondy

Redaktion: Thomas Morawetz

Was treibt einen, der vorgibt Zigaretten zu holen, dazu, bei dieser Gelegenheit gleich für immer zu verschwinden? - Sicher kein jäher Entschluss. Der Plan ist längst fertig im Kopf: Flucht, Selbstfindung, Neubeginn. Hoffnung auf mehr Lust als Frust. Ein Programm, das Goethe sicher auch unterzeichnet hätte – damals, als er heimlich aufbrach nach Italien. Die Freunde in Weimar wähnten ihn noch lange in den Böhmischen Wäldern. Doch Karlsbad adé! Er ließ sogar das Gepäck zurück, gab sich einen neuen Namen und eine andere Profession. Nur Diener Seidel wurde eingeweiht.

Gehen, ohne Abschied zu nehmen, nicht gerade die feine Art! Charlotte von Stein war fassungslos. Es dauerte Wochen, bis sie die erste Nachricht von ihrem Geliebten bekam. Da war der längst über alle Berge, in Arkadien... weit, weit weg. Hatte den kühlen Norden gegen den warmen Süden getauscht. Pflicht gegen Neigung. Fast zehn Jahre war er in die Schule des Lebens gegangen. Hatte sich mit Ministeraufgaben für den Herzog und Minnediensten für die angebetete Frau geplagt. Und war doch nicht zum Zuge gekommen. – Das konnte nicht alles gewesen sein! „Als Anderer und Besserer würde er zu ihr zurückkehren“... stand in den Briefen. Und er glaubte das lange Zeit selber, sprach von Reinigung und Klärung.

In Wahrheit ging es um Wiedergeburt. Doch wollte er sie, die nicht mit ihm, aber auch nicht ohne ihn leben konnte, keineswegs verletzen. Dazu liebte er sie zu sehr. Er galt nie als mutwilliger Verführer. Auch wenn er sich gern den Anschein gab, ein Frauenheld zu sein... schließlich war das „Äugeln“ seine Lieblingsbeschäftigung. Doch dabei ist es dann ja meist geblieben. So hatte es sich die Dame von Stein auch ausbedungen. Sie hatten sogar die Ringe miteinander getauscht. Romantik pur! Doch wo blieb der Rest? Nach geduldig erlittenen ehelichen Pflichten für den Freiherrn von Stein und den daraus erfolgten sieben Schwangerschaften, hatte die Freifrau von Stein mit diesem Kapitel abgeschlossen. Goethe aber hatte es noch vor sich. Er sehnte sich nach Körperkontakt... Seelenverwandtschaft hin oder her. Er war fast 40 Jahre und hatte noch nie eine Frau gehabt. Eine Legende? Eher die Wirklichkeit. Arbeiten und Anbeten! - Sublimieren lässt sich bei Goethe lernen, dem voritalienischen jedenfalls.

In Rom würde... sollte alles leichter werden. Am 3. Februar 1788 schreibt er von dort an „seinen lieben Herrn“, Carl August. „Mit dem schönen Geschlecht kann man sich hier, wie überall, nicht ohne Zeitverlust einlassen. Die Mädgen oder vielmehr die jungen Frauen, die als Modelle sich bei den Mahlern einfinden, sind allerliebst mitunter und gefällig sich beschauen und genießen zu lassen. Es wäre auf diese Weise eine sehr bequeme Lust, wenn die französischen Einflüsse nicht auch dieses Paradies unsicher machten.“ Irgendwie muss Goethe dann doch seine Ängste vor „den Franzosen“, der Syphilis, überwunden haben. Die Zeichnung, die Wohnungsgenosse Tischbein von Goethes bescheidener Kammer in Rom gemacht hat, zeigt auch dessen breites Bett, auf dem sich ein verräterisches zweites Kopfkissen befindet.

Er war tatsächlich „als ein Anderer“ aus Rom zurückgekommen. „Goethe ist sinnlich geworden...“, konstatierte Charlotte von Stein. Eine Wandlung, mit der sie – weiß Gott – wenig anzufangen wusste. Und das Resümee des Heimkehrers selbst? „Die Hauptabsicht meiner Reise war: mich von physisch-moralischen Übeln zu heilen, die mich in Deutschland quälten und mich zuletzt unbrauchbar machten, sodann den heißen Durst nach wahrer Kunst zu stillen, das erste ist mir ziemlich, das letzte ganz geglückt.“


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