Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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2. November 1959 TV-Quizshow-Kandidat Charles van Doren gesteht Betrug

Bei Jauch die Million kassieren, beim Glücksrad Sämtliches von Duschhaube bis Mikrowelle einsacken - ein Traum, denn nicht jedes Fernsehquiz lässt einen Sieger werden. Bisweilen ist das anders abgesprochen. Autor: Xaver Frühbeis

Stand: 02.11.2017 | Archiv

02 November

Donnerstag, 02. November 2017

Autor(in): Xaver Frühbeis

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Fünfzehn Millionen Fernsehzuschauer sitzen gespannt vor den Mattscheiben. Herb Stempel, der Champion, kämpft um seinen Titel. Sein Herausforderer, Charles van Doren, ist ein kluger Kopf, Assistenzprofessor an der Columbia Universität. Wird er mehr wissen als Champion Stempel? Was nun die fernsehende Nation wiederum nicht weiß: Die Show ist getürkt. Und das fast von Anfang an.

Gewusst wie und warum

"Twenty-One" ist eine Live-Quiz-Sendung im Privatsender NBC. Gleich beim ersten Mal, im September 1956, gab es ein Problem. Die Kandidaten konnten die meisten Fragen nicht beantworten, hinterher rief ein wütender Hauptsponsor an und sagte, er wolle niemals wieder den Namen seiner Firma mit so einem Schrott verbunden sehen. Von da an wird die Show getürkt.

Es ist ausgemacht, wer gewinnen und wer verlieren wird. Die Kandidaten wissen die Fragen, und sie wissen, wie sie antworten sollen.

Quizkönigreiche entstehen und fallen

Nach einigen Monaten bauen die Produzenten von "Twenty-One" erstmals einen Champion auf. Einen, der alles weiß. Herb Stempel wird gekauft mit dem Versprechen, schnell viel Geld machen zu können. Bald jedoch sinken die Einschaltquoten wieder. Ein Champion, der alles weiß, wird mit der Zeit langweilig. Es muss ein Herausforderer her: Charles van Doren, jung, klug, sympathisch, ebenfalls angelockt vom schnellen Geld.

Und so beantwortet Herb Stempel die verabredete Frage auf verabredete Weise falsch. Charles van Doren ist der neue Champion, auf der Titelseite des "Time Magazine" wird er als "klügster Mann der Welt" gerühmt, die Einschaltquoten steigen wieder und die Werbesponsoren sind begeistert. Doch dann beginnen die Probleme.

Stempel verlangt sein Geld, aber die Produzenten sagen, er könne froh sein, die Hälfte zu bekommen. Als Stempel damit an die Presse geht, unterstellen ihm die Zeitungsleute, er würde aus Neid Geschichten erfinden.

Nach einiger Zeit jedoch stößt ein findiger Journalist auf ein Frage-und Antwort-Übe-Buch einer Kandidatin aus einer anderen, ebenfalls getürkten Quiz-Show. Die Show wird ohne Erklärung eingestellt, kurze Zeit später macht auch "Twenty-One" plötzlich zu. Niemand erfährt, wieso. Mehr Leute werden misstrauisch, Gerichte schalten sich ein, und schließlich geht an höchster Stelle, im Kongress der Vereinigten Staaten, ein Untersuchungsausschuss der Sache nach. Monate lang streiten die Beteiligten alles ab. Über hundert Zeugen, schätzt man heute, lügen in dieser Sache unter Eid.

Dann kommt Charles van Doren. Wochenlang war er untergetaucht, versteckt, nicht greifbar. Am 2. November 1959 platzt die Bombe. Charles van Doren, der "klügste Mann der Welt", erscheint vor dem Untersuchungsausschuss und gibt alles zu. "Twenty-One war Betrug. Wir haben die Fernsehzuschauer bewusst getäuscht." Es tue ihm leid.

Die Nation ist entsetzt. Präsident Eisenhower sagt, dem amerikanischen Volk sei Schreckliches angetan worden. Verurteilt wird allerdings niemand. Ein materieller Schaden sei ja nicht entstanden. Quiz-Shows werden aus den Programmen genommen, ihre Produzenten entlassen. Auch van Dorens Universitätskarriere ist dahin, er verlegt sich aufs Bücher schreiben.

Und heute? Gibt es wieder Quizshows und Ähnliches in Massen. Die Zuschauer glauben gerne, das, was sie sehen, müsse echt und real sein. Die Einschaltquoten sind wieder hoch, und die Werbesponsoren begeistert.


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