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Feridun Zaimoglu "Ruß"

"Mord muss man mit Mord kühlen, hatte Karl irgendwann auf der Fahrt nach Warschau gesagt". Renz, der traurige Held in Zaimoglus neuem Roman "Ruß", ist nicht so schnell bei der Rache wie der Schläger Karl. Und dennoch lässt er sich dazu verführen, denn er liebte seine Frau über alles.

Stand: 14.12.2011 | Archiv

Buchcover "Ruß" von Feridun Zaimoglu | Bild: Kiepenheuer & Witsch, colourbox.com, Montage: BR

Renz, Karl, Eckart, Josef, Stella - alles Namen, die nicht unbedingt nach Zaimoglu klingen, diesem preisgekrönten Schriftsteller, der 1964 in der Türkei geboren wurde und seit 35 Jahren in Deutschland lebt. Bislang spielten seine Romane und Erzählungen alle im Migranten-Milieu, allen voran "Kanak Sprak", die Jargon-gesättigte Geschichte von lauter türkischstämmigen Jugendlichen, die ihn 1995 über Nacht berühmt machte.

"Ruß" in Duisburg

Zaimoglus jüngster Roman "Ruß" hat die Integrationsproblematik hinter sich gelassen, aber seine Figuren sind alles andere als gut integriert. Es sind lauter Loser, melancholische, traurige und teils echt kriminelle Gestalten, Bewohner eines einst reichen und längst im Niedergang befindlichen Landes, dem Ruhrgebiet. Im Zentrum steht Lorenz, genannt Renz, ein Arbeiterkind, das das Abi und dann sogar den großen Aufstieg zum Gott in Weiß geschafft hat. Doch sein Glück währte nur kurz: Renz' schöne Ehefrau Stella, ebenfalls Ärztin, wurde bald Opfer eines Raubüberfalls, Renz fand ihre blutüberströmte Leiche, versuchte den Verlust mit Schnaps zu ertränken, verlor darüber seine Arbeit und wäre wohl vollends abgestürzt, wenn ihn sein Schwiegervater, der Büdchenbesitzer Eckart, nicht zum Kompagnion gemacht hätte.

Mord fürs Brudersitting

Das erfahren die Leser alles aus Rückblenden. Zu Beginn des Romans begegnet der Büdchenbesitzer Renz, der seinen Kunden freundlich-herb ihre tägliche Schappsration verkauft und in seiner Freizeit zeichnet. Aus dieser Lethargie reißt ihn ein Anruf heraus. Heinrich, eine zwielichtige Gestalt, bietet Renz an, den soeben aus dem Gefängnis entlassenen Mörder seiner Frau umzubringen, wenn Renz sich als Gegenleistung um seinen unberechenbaren Halbbruder Josef kümmert. Renz lässt sich auf den Deal ein, aber so einfach ist das alles nicht. Renz zögert immer wiede, er verlässt Duisburg nicht gern und muss jetzt nach Warschau, außerdem ist er alles andere als der geborene Rächer. Und da ist Karl, der Schläger, den Renz hasst und der immer dabei ist, wenn er auf Josef aufpasst, und da ist dann auch noch Marja, die Kellnerin, die ihm zeigt, dass er das Lieben nicht verlernt hat ... .

Krimi, Milieustudie und Liebesgeschichte

Zaimoglu verknüpft die kriminelle Rachegeschichte mit der aufkeimenden Liebesgeschichte und erdet das Ganze wortreich poetisch im Ruhrgebiet. Aber nicht in dem Ruhrpott, wie er uns sprachlich in den authentischen "Bottropper Protokollen" der Bergarbeiter der 70er-Jahre begegnet und auch nicht in der "Metropole der Möglichkeiten" wie Ruhr 2010 die Region feierte. Es ist ein Ruhrgebiet spezifisch Zaimogluscher Prägung, eine Männerwelt, in der Potthucke (das ist ein ausgebackener Kartoffelauflauf mit Mettwurst) gekocht und viel gesoffen und geraucht wird, und das seinen Stolz bewahrt hat: "Ruß wischen wir weg. Den schwarzen Staub im Gesicht wischen wir weg. Fein und sauber sieht's in unsren guten Stuben aus. Wie Pfoten alter Hunde hängt uns das Haar über die Ohren."

Feridun Zaimoglu zu Gast im Diwan

Zaimoglu erzählt von der aufwändigen Recherche zu seinem neuen Buch, seiner Tour durch den Kohlenpott und wie er auf diese Geschichte von Renz kam,
Samstag, 17. Dezember ab 14.05 Uhr im Diwan auf Bayern 2.




Zaimoglus Werke - eine Auswahl

  • 1995 "Kanak Sprak"
  • 1997 "Abschaum"
  • 2000 "Liebesmale, scharlachrot"
  • 2004 "Zwölf Gramm Glück"
  • 2006 "Leyla"
  • 2008 "Liebesbrand"

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