Literatur und Reklame Wortkünstler als Werbetexter
Gedichte als Werbeslogan: Schriftsteller, die Werbetexte schreiben, gab es schon, bevor die Welt dem Konsumrausch verfiel. Der Grund war oft derselbe: Sie waren jung und brauchten das Geld. Aber darf man Wortkunst wirklich in den Dienst der Reklame stellen?

"Hast du einmal viel Leid und Kreuz
Dann trinke Geldermann und Deutz
Und ist dir wieder besser dann
Dann trinke Deutz und Geldermann …"
(Joachim Ringelnatz)
Frank Wedekind dichtete im Dienst von Julius Maggi
Die Dunkelziffer ist hoch. Schriftsteller, die Werbetexte schreiben, gibt es viele. Es gab sie schon, bevor die Welt dem Konsumrausch verfiel. Wladimir Majakowski, sowjetischer Vorzeigedichter, schrieb Reklameverse für Entlausungsmittel. Im späten 19. Jahrhundert stand der Schwabinger Frank Wedekind, der Großmeister der Kleinkunst, im Dienst von Julius Maggi. Dabei arbeitete der Moritaten- und Bänkelsänger meilenweit unter seinem Niveau:
"Vater, mein Vater! Ich werde nicht Soldat
dieweil man bei der Infantrie nicht Maggi-Suppen hat!
Söhnchen, mein Söhnchen! Kommst du erst zu den Truppen
so isst man dort auch längst nur Maggi's Fleischkonservensuppen …"
(Frank Wedekind)
Erst Reklame, dann Reclam
"Es liegt in der Natur des Menschen, daß er Dinge, die ihm am unentbehrlichsten sind, am meisten verachtet", schreibt Wedekind 1886. Spielt er auf Sex an? Auch. Eigentlich geht es um ein neues Produkt, das die Kochgewohnheiten nicht nur der Schweizer revolutionieren will: Brühwürfel.
"Alles Wohl beruht auf Paarung.
Wie dem Leben Poesie
Fehle Maggi's Suppen-Nahrung
Maggi's Speise-Würze nie!"
Wedekinds pointierte Sprüche und Mini-Szenen sind so neu wie Maggis Kreation, mischen Alltag und hohen Ton, lappen bisweilen ins Dadaistische. Ungewohnt ist auch, dass ein - damals freilich noch ungedruckter - Dichter Reklame macht; erst später folgen Brecht, Tucholsky, Kästner und andere. Sein Auftraggeber Maggi bewertet Wedekinds Arbeit mit Schulnoten, findet dies "famos", jenes "recht für den Leierkasten".
Bertolt Brechts Werbesprüche für die Autofirma "Steyr"
Im Jahre 1926 hatte Bertolt Brecht noch wenig Geld, wünschte sich aber ein neues Auto. Also machte er mehreren Firmen ein Angebot: Biete Werbegedicht, möchte Straßenkreuzer. Steyr ging auf den Deal ein. Und erhielt von Brecht einen Slogan:
"Unser Motor ist:
Ein denkendes Erz."
Brecht bekam seinen Neuwagen – und fuhr ihn zu Schrott. Der Dichter, schon in jungen Jahren ein alter Fuchs, dichtete den nächsten Slogan:
"Ein Auto, in dem man überlebt …"
Steyr ließ sich nicht lumpen und belohnte Brecht mit einem neuen Auto.
Charles Bukowski warb für ein Luxusbordell
Joseph Berlinger erinnert an die beim Werben dilettierenden Altmeister der Dichtkunst und befragt ein paar zeitgenössische Schriftsteller, die schon mal schwach geworden sind. So wie zum Beispiel Charles Bukowski, der Held des amerikanischen Undergrounds, der als Werbetexter für ein Luxusbordell jobbte.
"Erzählen Sie meiner Mutter nicht, dass ich in der Werbung arbeite. Sie glaubt ich sei Pianist in einem Bordell ..."
(Jaques Séguéla, französischer Publizist)
Was denken Schriftsteller heute über Werbung?
Hans Pleschinski
"Als junger Schriftsteller muss man was dazuverdienen, und ich war in der sogenannten Künstlerkartei, (...) da konnte man als Statist irgendwie abgerufen werden, für Film, Fernsehen und Werbung. Und dann kam ein Auftrag für eine Münchner Großbrauerei, auf dem Oktoberfest Bierwerbung zu machen für die USA.
Sehr früh begann das, und da waren 80 andere Leute, und wir saßen in langen Reihen mit (...) frisch gefüllten Maßkrügen und Henderl. Und ich dachte, das ist schnell geschehen, gut verdientes Geld in der Werbung. Und dann wurde gefilmt und gefilmt und gefilmt, man bekommt das ja gar nicht so mit, und jedes Mal ein neuer Maßkrug eingeschenkt, damit der Schaum üppig ist (...) Und es begann um 8 Uhr morgens, und um 20 Uhr waren wir fertig, ich auch, stinkbesoffen. (...) Und da ich damals noch Statist auch im Gärtnerplatztheater war, bin ich volltrunken ins Gärtnerplatztheater gestolpert, und habe im Freischütz als Geiger Geige gespielt."
Nora Gomringer
"Würde ich für Waffen werben? Nein! Waffen nicht!
Waffen, damit sich eine Frau schützen kann, da hab ich schon mal drüber nachgedacht.
Ich würde in der Art, wie ich dafür Werbung machen wollte, viel genereller auf die Selbstbestimmung der Frau eingehen wollen als auf ein Produkt.
Aber am liebsten würde ich ja eigentlich für Männer Bindenwerbung machen, damit Männer mutig sind, in so einen Laden zu gehen und Binden für ihre Frau zu kaufen."
Eva Demski
"Dichter und Werbung, oder Dichter und Werbesprüche, das klingt immer so ein bisschen unanständig. Dabei bin ich gar nicht dieser Meinung. Ich finde das eigentlich eine sehr pfiffige Möglichkeit, Geld zu verdienen für die hohe Literatur.
Es gibt in Frankfurt ein schönes Beispiel. Ein ganz großer Lyriker, Paulus Böhmer, der wunderbare Langgedichte schreibt, und in seiner Gemeinde sehr berühmt ist, aber noch berühmter wäre er, wenn die Leute wüssten, dass er für eine große Mineralölgesellschaft den Spruch erfunden hat "Pack den Tiger in den Tank". Und damit wahrscheinlich mehr Geld verdient hat als mit seinen wunderbaren Gedichten. Kurt Tucholsky hat das ein bisschen kritischer gesehen, aber das Thema war ihm durchaus nicht fremd. Er reimte:
'Mein lieber guter Tengelmann, was geht mich denn dein Kaffee an / und deine Teeplantage … ach, leck mich doch', und dann folgt ein sogenannter unreiner Reim.
Ich bin leider nie gefragt worden. Dabei hätte ich das eine wunderbare Möglichkeit gefunden, anstatt um irgendwelche Honorare oder Gratifikationen zu betteln oder Stipendien, einfach wunderbar viel Geld zu verdienen mit knackigen Werbesprüchen. Natürlich nur für ehrenwerte Produkte, zum Beispiel Katzenfutter oder Anti-Aging-Präparate oder Spätburgunder oder chinesische Woknudeln. Mir fiele da einiges ein. Es gäbe so viele charmante unverdächtige Produkte. Also ich bin für Vorschläge dankbar."
Tanja Kinkel
"Ich fände es sehr arrogant zu sagen: 'Igitt! Werbung, wie kann man nur!'
Wir Autoren sind ja (...) nicht prominent, dass irgendjemand uns anbieten würde, uns mit einem Cola vor die Kamera zu stellen und zu sagen 'Trink das!'
Ich glaube (...) nicht, dass Werbung etwas inhärent Negatives ist, und, ja natürlich, wenn ich nach Ende meines Studiums noch nicht in der Lage gewesen wäre, vom Schreiben leben zu können, hätte ich einen Zweitberuf ausgeübt. Ich hätte es als Journalistin versucht, vielleicht auch als Dozentin, (...) und zu dem Zeitpunkt, denke ich, wär mir eben auch bekannt gewesen, dass es auch die Werbetexter-Option gibt. Ich kenne mittlerweile mehrere Kollegen, und zwar auch international, die als Werbetexter angefangen haben. Eine indische Autorin namens ShobhaaDé zum Beispiel, hat in einer Werbeagentur angefangen, hat dann für Bollywood gearbeitet, und schreibt heute Romane.
Bei uns, allein dadurch, dass unterhaltende Romane schon von der Kritik mit einem misstrauischen Auge angesehen werden, ist die Hemmschwelle bei Autoren dann auch noch zu sagen, ach, übrigens, ich habe mein Handwerkszeug in einer Werbeagentur gelernt, noch sehr viel höher als bei den Briten oder Amerikanern."
Fabienne Stramm, Werbetexterin
"Der größte Schnittpunkt zwischen Poeten und Werbetextern, würde ich behaupten, ist die Liebe zum geschriebenen Wort. Weil beide Seiten Geschichten erzählen.
Es geht bei uns nicht um die großen Wörter, sondern um d a s große Wort. Heutzutage hat man einfach nicht mehr die Gelegenheit, ganze Textabsätze zu schreiben, sondern muss in einer Headline am besten schon überzeugen, das Interesse wecken, seine Botschaft auch mitteilen. Dann natürlich ist für den Kunden auch wichtig: wie wird er dargestellt, warum betone ich folgende Produkthighlights, warum setze ich die Schwerpunkte wie auch immer."
Literaturhinweis:
Robert Kuhn: "Wenn Dichter texten". Die Stern Bibliothek, Verlag Gruner + Jahr. Hamburg 1996.