Bayern 2 - Bayerisches Feuilleton


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Die Samy-Brüder Die Könige der Flower-Power-Ära in Schwabing

Vor 50 Jahren, im Sommer 1967, brachten die beiden Brüder Anusch und Temur Samy das Lebensgefühl des "Swinging London" nach München. In Schwabing eröffneten sie das "Drugstore", Deutschlands ersten "Beatschuppen", es folgten das legendäre "Blow up" und ein bahnbrechendes Shoppingcenter namens "Citta 2000". Die Mischung aus Beat, Flower-Power und Kommerz war einzigartig - und wer diese Zeit erlebt hat, erinnert sich ihrer mit leuchtenden Augen …

Author: Friedemann Beyer

Published at: 27-5-2017 | Archiv

Temur und Anusch Samy posieren vor dem Citta 2000 | Bild: Franz Hug/Munichpress/Süddeutsche Zeitung Photo

Vor 50 Jahren, am 3. Juni 1967, eröffnete, von einem Straßenfest begleitet, in der ehemaligen Schwabinger Eckwirtschaft "Hacklwirt" am Wedekindplatz das "Drugstore". Inhaber waren die iranischen Brüder Anusch und Temur Samy. Die Mischung aus Brasserie, Disco und kleinen Läden markierte den Aufbruch Schwabings in eine neue Ära: das Künstlerviertel, Quartier von Studenten und Bohemiens, wandelte sich unaufhaltsam zum Treffpunkt der Pop- und Hippie-Szene.

"Drugstore" ist gleich "Drogen"?

Das "Drugstore" am Wedekindplatz in Schwabing

Das Schwabinger "Drugstore" mit seinem poppigen Schriftzug, den Messing-Elementen, Spiegeln und Holzvertäfelungen ist vielen Einheimischen ein Dorn im Auge. Das beginnt schon mit dem Namen des Etablissements, der bei manchen Erziehungsberechtigten unbeabsichtigte Assoziationen auslöst. Jahangir Saffari erinnert sich: "Drugstore = Drogen. Die Leute haben teilweise ihre Kinder gewarnt: geh' ja nicht ins 'Drugstore', da verkehren irgendwelche Leute. - Nachmittags war im ersten Stock schon Diskothek im Drugstore. Etwas, was nicht die Norm war."

Wer waren diese Samy-Brüder eigentlich wirklich?

  • Michael Graeter: "Das sind zwei Akteure gewesen, zwei Paradiesvögel, die Schwabing bunt gemacht haben."
  • Rainer Langhans: "Der Anusch war halt ein knallharter Unternehmer, ein Geldmacher, und der Temur war ein Träumer."
  • Brigitte Streubel: "Das war zu 'ner Zeit in Schwabing sehr wichtig, dass es neue Arten von Gastronomie gab. Das Ganze wurde einfach so ein bisschen international. Am Anfang war das wohl revolutionär, dass die beiden da Null Komma Nix Dinge aus dem Boden gestampft haben - unglaublich, unglaublich!"
  • Jahanghir - alias Johnny - Saffari: "Die waren eben die Jungs, die damals ganz München verändert haben. Mit den Ideen, die die gehabt haben, waren die Trendsetter."
  • Wolfgang Ettlich: "Na, sagen wir mal, die den Extrem-Kommerz nach Schwabing gebracht haben, klar: um Kohle zu machen."
  • Brigitte Streubel: "Die haben da schwer Geld gescheffelt, aber haben das immer wieder re-investiert. Temur wollte selbst gar kein Geld haben. Der hat auch zum Schluss von 300 DM gelebt: Irre!"
  • Renate Knaup: "Die waren beide sehr nett.  Der Anusch war unnahbarer, während der Temur war eher ein Mensch wie Du und ich.  Ich find, dass es ganz toll war, dass diese beiden Brüder auftauchten."

2000 Gäste in der Großraumdisco "Blow up" ...

Tanzende Jugendliche im "Blow up"

Die Brüder eröffneten noch im selben Jahr das "Blow up" am Elisabethplatz. Deutschlands "Erster Beatschuppen" (DER SPIEGEL) bot Platz für 2.000 Gäste, die auf einer Art Gangway über die verschiedenen Ebenen der Disco flanieren und im Saal, von 250 Scheinwerfern bestrahlt, tanzen konnten. Legendäre Pop-Gruppen wie "Pink Floyd", "Yes" oder die Lokalmatadore "Amon Düül" traten live auf. Die Kommunarden Rainer Langhans, Uschi Obermaier und Fritz Teufel waren hier ebenso zu Gast wie Johannes Prinz von Thurn und Taxis, Gunther Sachs, Peter Kraus, aber auch der spätere RAF-Terrorist Andreas Baader. Im Januar 1969 folgte schließlich an der Leopold-/Ecke Giselastraße die "Città 2000", Deutschlands erstes kombiniertes Vergnügungs- und Einkaufszentrum, mit Kino und Kneipen und Boutiquen.

Flower-Power-Schwabing und die Samy-Brüder

Anuschs Tod war der Anfang vom Ende des Samy-Imperiums

Obwohl das Samy-Imperium, bedingt durch den Unfalltod des älteren Bruders, bereits Mitte 1970 kollabierte, schien die Kommerzialisierung Schwabings nicht mehr aufzuhalten. - Eine nostalgisch-kritische Hommage auf die Samy-Brüder, Erfinder der Flower-Power-Ära Schwabings. Mit prominenten Zeitzeugen von damals, darunter Michael Graeter, Rainer Langhans der Filmemacher Klaus Lemke und Renate Knaup, die Sängerin von "Amon Düül".

"Drugstore" Wiedereröffnung 2017

Autor Friedemann Beyer im Interview mit Johnny Saffari (2014)

Johnny Saffari, der Cousin der Samy-Brüder, ist im Oktober 2015 gestorben. Bis zuletzt hat er das "Drugstore" geführt und die Erinnerung an die Gründerzeit dieser Schwabinger Institution lebendig gehalten. Nach einer längeren Umbaupause hat sein Sohn Nader Saffari das Lokal jüngst wiedereröffnet.

Playlist - der Soundtrack zur Sendung:

  • Amon Düül II "Kanaan" und "Soap Shop Rock"
  • The Turtles "Happy together"
  • Scott McKenzie "San Fancisco (be sure to wear some flowers in your hair)"
  • The Equals "Baby come back"
  • Sam the Sham & The Pharaohs "Wooly Bully"
  • Sonny & Cher "The beat goes on"
  • Arthur Brown "Fire"
  • Jefferson Airplane "Somebody to love"
  • Sammy Davis jr. "Rhythm of life"
  • Jimi Hendrix "In from the storm"
  • Sam & Dave "Soul man"
  • The Doors "Light my fire"
  • Ten Years After "Good morning little schoolgirl"
  • Iron Butterfly "In-a-gadda-da-vida"
  • Emerson, Lake & Palmer "Lucky man"
  • The Who "I can see for miles"
  • Pink Floyd "Money"
  • Procol Harum "A whiter shade of pale"
  • Ravi Shankar "Dun kafi"
  • Cream "White room"
  • Canned Heat "On the road again"
  • Norman Greenbaum "Spirit in the sky"
  • The Beatles "Hello, goodbye"

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