Bayern 2 - Bayerisches Feuilleton


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Rauchende Dichter Blauer Dunst als Inspirationshilfe

Raucher verstehen sich dieser Tage gleich in zweifacher Hinsicht als bedrohte Minderheit: erstens, weil sie wissen, dass sie ihre eigene und die Gesundheit ihrer Mitmenschen gefährden - zweitens, weil sie sich dafür von den Nichtrauchern an den Pranger gestellt fühlen. Frei nach einem Diktum aus dem Mund von Mark Twain betrachtet Katinka Strassberger den Tabakgenuss heute einmal aus einem ganz anderen Blickwinkel.

Von: Katinka Strassberger

Stand: 14.03.2015 | Archiv

Mann raucht Pfeife | Bild: picture-alliance/dpa

Will man den Dichtern und Denkern Glauben schenken, dann gibt es viele Gründe, der Kreativität mit Hilfe des Blauen Dunstes auf die Sprünge zu helfen. Seit Jahrhunderten schon hüllen sie sich gerne in Tabakwolken und schrieben die schönsten Elogen auf die euphorischen Stimmungen, die sie auf die anregende Wirkung unzähliger Zigarren, Pfeifen und Zigaretten zurückführten. Mit Ausnahme von eifernden Predigern gab es bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts nur Wenige, die darauf freiwillig verzichten wollten.

"Man wird nach zwei oder drei Menschenaltern schon sehen, was diese Bierbäuche und Rauchlümmel aus Deutschland gemacht haben. An der Geistlosigkeit, Verkrüppelung und Armseligkeit unserer Literatur wird man es zuerst bemerken."

(Johann Wolfgang von Goethe)

Ein Graus für Nikotingegner

Nicht nur Mark Twain hätte lieber in der Hölle geschmort, als sich von seinen geliebten Rauchschwaden zu trennen, auch viele andere Dichter huldigten bis vor nicht allzu langer Zeit dem blauen Dunst mit einer Leidenschaft, die heutigen Nikotingegnern ein Graus sein dürfte.

Im "Café Stefanie" war die Luft stets zum Schneiden dick

Ludwig Thoma raucht Pfeife

Gestandene Mannsbilder wie Ludwig Thoma sah man selten ohne Pfeife, emanzipierte Frauen wie Erika Mann oder Annette Kolb selten ohne Zigarette, und Bertolt Brecht hüllte sich gerne in dichten Zigarrenqualm. Um 1900 war die Luft in den Schwabinger Künstlerlokalen wie dem "Café Stefanie" stets zum Schneiden dick: "Der überfüllte Hauptraum hatte seinen eigenen warmen Geruch, eine spezielle Mischung aus Kaffee- und dumpfem Moderduft und dickstem Zigarettenrauch. Wer hier eintrat, war daheim",  notierte der Schriftsteller Leonhard Frank.

Lola Montez rauchte den ganzen Tag "Taback wie ein Bootsknecht"

Die Tänzerin Lola Montez

Rauchende Frauen galten im 19. Jahrhundert noch als Provokateurinnen, die Zigarette wurde zum Symbol von Emanzipation. Als Vorreiterin fungierte die französische Schriftstellerin George Sand, die sich für die sozialreformerischen Ziele der Revolutionäre in Paris einsetzte und ein für Frauen in der damaligen Zeit ungewöhnlich eigenständiges Leben führte. An ihrem Beispiel orientierte sich auch die ansonsten literarisch und politisch wenig interessierte Lola Montez. Als sie 1846 nach München kam und Mätresse von Ludwig I. wurde, da galt in der Öffentlichkeit noch ein strenges Rauchverbot. Davon ließ sie sich aber nicht beirren. Leo von Klenze erzählte, sie habe den ganzen Tag „wie ein Bootsknecht Taback geraucht“.

Maximilian Graf von Arco-Zinneberg, einem Jäger und Sammler aus Passion, ist es zu verdanken, das die - angeblich - letzte Zigarette, die Lola vor ihrer Flucht in München geraucht hat, für die Nachwelt erhalten blieb: er hob diese Kippe von der Straße auf und verwahrte sie fortan in einer Dose aus Schildpatt.

"Es ist eine Art zu leben, zu denken und zu fühlen"

Erich Kästner mit Zigarette (1969)

Kreativität ohne Tabakgenuss, das konnten sich auch Thomas Mann, Wilhelm Busch und Erich Kästner nicht vorstellen. - "Rauchen ist kein Laster", schreibt die südamerikanische Schriftstellerin Cristina Peri Rossi, "es ist eine Art zu leben, zu denken und zu fühlen." Und deshalb fällt es wohl auch so schwer, davon zu lassen. Italo Svevo alias Ettore Schmitz beschäftigten die ambivalenten Gefühle zwischen Rauchlust und Verzicht so stark, dass er sie zu seinem literarischen Lebensthema machte. Seine Abhandlung über "Die Zigarette" gehört bis heute zu den Klassikern der Dichtkunst rund um den blauen Dunst.


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