Bayern 2 - Bayerisches Feuilleton


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Plötzlich ist es Erfolg Porträt der Romanautorin Petra Morsbach

Erst spät fand sie zur Literatur, erschrieb sich dann aber mit mehreren Romanen den Ruf einer genauen Beobachterin unterschiedlicher Milieus. Im vergangen Jahr wurde sie dafür mit dem Jean-Paul-Preis des Freistaats Bayern ausgezeichnet. Ihr Schriftstellerkollege Bernhard Setzwein besuchte sie am Starnberger See.

Von: Bernhard Setzwein

Stand: 08.02.2014 | Archiv

Petra Morsbach | Bild: Susanne Gier

In Zeiten, in denen die Fräuleinwunder der deutschen Literatur jede Saison noch jünger werden, musste ihr Debüt besonders auffallen: Petra Morsbach war knapp vierzig, als ihr erster Roman "Plötzlich ist es Abend" erschien. Er hatte 650 Seiten und - zweite große Überraschung - war kein Ausfluss autobiographischer Nabelschau.

"Künstler wissen, wie es sich anfühlt, wenn der richtige Tonfall gefunden ist. Der Tonfall ist der Schlüssel, die Seele des Werks."

(Petra Morsbach)

Geradezu tolstoihafte Dimensionen

Die 1956 in Zürich geborene, am Starnberger See aufgewachsene Autorin stürzte sich vielmehr in eine Stoffmasse von geradezu tolstoihaften Dimensionen: 70 Jahre sowjet-russische Geschichte, dargestellt an einem Leningrader Frauenschicksal, das war eine literarische Aufgabe, zu der man einen sehr langen Atem brauchte.

"Ich hörte die Oper 'Musikalisches Volksdrama' von Mussorgsky und dachte, ich muß unbedingt Russisch lernen und Opernregisseurin werden, damit ich das inszenieren kann … dazu ist es nicht gekommen. Ich hab's nicht inszeniert. Aber es wurde ein ganz wichtiger Umweg. Die russische Kunst hat mich sehr bewegt. Das Soziale daran, die Herzlichkeit, der Humor, das Sinnliche, das Saftige. Eine Melancholie ist auch darin. Also es ist eine sehr reiche, eine sehr emotive Kunst. Sehr direkt. Die russische Literatur hat mich eigentlich stärker geprägt als die deutsche. Dann war das alles nur folgerichtig."

(Petra Morsbach)

Die rauhe Welt des Kultur- und Kunstbetriebes

Schreibtisch der Schrifstellerin Petra Morsbach

Einfühlungsvermögen in fremde Schicksale wurde geradezu zum Markenzeichen der Autorin Petra Morsbach, die von Biographien zu erzählen weiß, welche offensichtlich ihrer eigenen ziemlich ferne stehen. Sie schrieb über einen Landpfarrer im Bayerischen Wald ("Gottesdiener") ebenso wie über einen gealterten ehemaligen DDR-Lyriker, der sich mit Stipendien in irgendwelchen ländlichen Künstlerhäusern über Wasser hält ("Dichterliebe"). Und dann ist da immer wieder die rauhe Welt des Kultur- und Kunstbetriebes, den Petra Morsbach etwa im "Opernroman" oder in "Der Cembalospieler" auf die illusionsloseste Weise darstellt.

"Ich wollte auch nie über mich selber schreiben, seit meiner Jugend eigentlich. Aber über andere zu schreiben, da fehlte mir der Stoff, die Erfahrung, und dann dachte ich: Ich geh zum Theater. Das ist einfacher. Da sind die Stücke ja schon da. Da braucht man keine Phantasie, man muß sie nur mehr auf die Bühne stellen, als Regisseure. Das war eigentlich eine Kapitulation, zum Theater zu gehen. Aber es hat sich bewährt, insofern als ich dann viele Erfahrungen sammeln konnte. In der Latenz kam das dann alles zurück … oder kam alles zusammen, was ich inzwischen erlebt hatte. Und eines Tages war's so weit. Und dann habe ich mit Macht losgelegt."

(Petra Morsbach)

2013 kam ganz unerwartet der Jean-Paul-Literaturpreis

Autorenkollege Bernhard Setzwein hat Petra Morsbach am Starnberger See besucht und sich mit ihr über den langen und beharrlichen Weg des Romanschreibens unterhalten. Wie findet sie ihre Stoffe, wie wird sie ihrer durch ausgedehnte Recherche Herr, wie ist es, wenn sich plötzlich doch noch unerwartet Erfolg einstellt? So wie jüngst durch die Verleihung des Jean-Paul-Literaturpreises 2013 ...

"Wir wollen einerseits möglichst genau wissen, woran wir sind, und andererseits doch lieber nicht. Wir sehnen uns nach der Wahrheit und fürchten sie. […] All diese Leidenschaften wirken mit elementarer Kraft auf uns ein, und all unsere Erzählungen sind von ihnen gezeichnet."

(Petra Morsbach)

Literaturverzeichnis:

  • Isaak Babel auf der sowjetischen Bühne (Dissertation), München 1983
  • Plötzlich ist es Abend (Roman), Frankfurt am Main 1995
  • Opernroman (Roman), Frankfurt am Main 1998
  • Geschichte mit Pferden (Roman), Frankfurt am Main 2001
  • Gottesdiener (Roman), Frankfurt am Main 2004
  • Warum Fräulein Laura freundlich war. Über die Wahrheit des Erzählens (Essay), München 2006
  • Der Cembalospieler (Roman), München 2008
  • Dichterliebe (Roman), München 2013

Auszeichnungen:

  • 2001 Marieluise-Fleißer-Preis der Stadt Ingolstadt
  • 2004 Villa Concordia in Bamberg
  • 2005 Johann Friedrich von Cotta-Literatur- und Übersetzerpreis der Landeshauptstadt Stuttgart
  • 2007 Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung
  • 2012 Inselschreiber-Stipendium auf Sylt
  • 2012 Pro meritis scientiae et litterarum des Freistaats Bayern
  • 2013 Jean-Paul-Preis

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