Bayern 2 - Bayerisches Feuilleton


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Zum Tod von Herbert Achternbusch Gespräch mit dem bayerischen Universalgenie

Herbert Achternbusch ist im Januar 2022 im Alter von 83 Jahren verstorben. Das Bayerische Feuilleton erinnert an ihn mit einer Sendung aus dem Jahr 2006. Thomas Kernert hat Herbert Achternbusch dazu standesgemäß in einem Wirtshaus getroffen.

Von: Thomas Kernert

Stand: 15.01.2022 | Archiv

"Du hast zwar keine Chance, aber nutze sie!"

(Herbert Achternbusch, 'Die Atlantikschwimmer'. 1. Auflage. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1978. S. 8.)

Die Zahl der bayerischen Kreuz- und Querdenker ist so stattlich wie ihre Variabilität: Es gibt laute und leise, listige und naive, lachende und wütende, grobe und subtile. Zu welchem Typus Herbert Achternbusch zählt, ist bis dato umstritten.

Ein niederbayerisches Originalgenie

Seine Fans verehrten ihn wie einen Säulenheiligen, schätzten die wilde, assoziative Kreativität eines niederbayerischen Originalgenies, welche man angeblich "nicht verstehen, sondern nur erfühlen" konnte. Seine Gegner hielten ihn für einen Deppen, der Weisheit nicht von Weißbier zu unterscheiden vermag und weder als Filmregisseur noch als Schriftsteller oder Maler mehr als eine unfreiwillige Lachnummer abgab.

Herbert Achternbusch (1998)

"'Ins Hirn reing'schissen und 's Umrührn vergessen!'

Wie sie sich immer so aufmandeln! Je mehr sie vorgeben zu lieben, was Bayern ist, desto sprachloser sans. Und deshalb mog i die Bayern net, weil i die Sprachlosigkeit net mog. Entschuldige, i kann ja auch einen beleidigen, aber mit dene kannst ja net redn. Die san sofort beleidigt: He, was is denn des für einer! Wo kimmst denn du her??! Und am liebsten gleich eine draufhaun.

Na, des mog i net am Bayerischen. Das ist unfein. Bayrisch ist zutiefst unfein! Mei Oma, wir hamm miteinander in eim Zimmer gwohnt, und die hat in dem Zimmer nie an Schoaß laßn. Die is immer vor d’ Tür gangen. Das war fein! Und die hat mir nie a bös Wort geben. Das ist für mich bayrisch! Des umgehen miteinand. Aber die können net miteinand umgehen. Da muß vorn einer gehn und dann rennen’s alle nach, des is des jetzige Bayern. Ob des in der Mode is, in der Politik, im Fußball: Des is a Herdentrieb. Und die Alpen: Die gehören weg, des is dann a flachs Land, da können’s alle hin und her rennen, wia die Blöden, immer rauf und runter.

Mei Vater hat immer gsagt: Ins Hirn reingschissen und 's Umrühren vergessen. Das ist Bayrisch: Definition von Bayrisch: Ins Hirn reing'schissen und 's Umrührn vergessen!"

(Herbert Achternbusch)

Die Wahrheit über Achternbusch liegt wohl irgendwo dazwischen

Spieglein, Spieglein an der Wand ...

Die Wahrheit, dieses Luder, liegt wohl wie immer irgendwo dazwischen. Richtig ist: Achternbusch konnte unendlich eitel und furchtbar langweilig sein. Der Autor dieser Zeilen erinnert sich an seine erste Begegnung mit den "Atlantikschwimmern". Der Film war so unglaublich öde, dass er nur mit ein paar Weißbieren zu ertragen war.

Und siehe da: Plötzlich wechselte er sein Gesicht, wurde schrecklich menschlich, fast tragisch und unheimlich komisch. Und schon war der Film Kult und aus Weißbier Weisheit geworden.

Achternbusch über seine Filme:

Herbert Achternbusch in seinem Film "Wohin" aus dem Jahr 1988

"Ein Film schlechter als der andere. Möglichst schnell heruntergehauen, um abends wieder beim Bier sitzen zu können, was das Wichtigste war.

Ich verlangte auch von den Schauspielern nichts, als wäre ich viel zu glücklich, bald wieder mit einem misslungenen, unergiebigen Film unglücklich zu sein ... Und das unter der Prämisse: Darf ich Sie auf etwas aufmerksam machen? Auf mich! Endlich mal ein Mensch!"

Achternbusch-Zitate:

Achternbusch von A bis Z

Als Sprücheklopfer ist Herbert Achternbusch ein begnadeter Steinmetz. Bonmots, Beleidigungen, Wahrheiten und Flachwitze - eine kleine Auswahl von A wie Annamirl bis Z wie Zuflucht.

A

A wie Annamirl
"Das war 'meine' Schauspielerin. Das ist das einzige, was ich in meinem Leben erreicht habe."

A wie Angst
"So ein kleines Volk am Nordalpenrand hat Angst vor anderen und vor allem aber vor sich selber. Bei den Österreichern ist es ja noch schlimmer. Die sind ja völlig vertrottelt in den Bergen."

B

B wie Bayern
"In Bayern möchte ich nicht einmal gestorben sein."

C

C wie CSU
"In Bayern gibt es 60 Prozent Anarchisten und die wählen alle die CSU."

D

D wie Denken
"Ich mag ganz gerne das denken, was ich immer schon gedacht habe, weil es ist ja eh immer anders. Die Zeit, das ist ja eine Spirale in sich."

E

E wie Eltern
"Mein Vater war a Sau und meine Mutter a Nazi."

F

F wie Fernsehen
"Du glaubst gar nicht, wie diese Fernsehsäftln sich identifizieren mit einer dumpfen Mehrheit. Das können sie inzwischen so gut, dass sie sich selber glauben, wenn sie reden."

G

G wie Gewissen
"Schlechtes Gewissen ist ein Punkt, den ich punktuell nicht kenne, sondern nur im Allgemeinen. Aber ich habe ein schlechtes Gewissen, dass ich lebe."

G wie Griechische Mythologie
"Die alten Griechen mag ich, die sind so pessimistisch."

H

H wie Hochdeutsch
"Wenn man bayerische Sätze ins Hochdeutsche übersetzt, dann klingen sie viel gefährlicher."

J

J wie Judenvernichtung
"Da red ich mit meinem Vater über die Judenvernichtung. Da frag ich, warum redet da keiner drüber. Da lacht er und sagt: 'Die Deutschen reden doch nicht darüber, was sie anstellen. Die warten nur auf die Zeit, bis sie wieder damit angeben können.' Das ist ein durch und durch feiges Volk für mich."

K

K wie katholisch
"Ich war katholischer als meine Oma, weil ich einen Rückhalt gesucht habe. Als Schüler habe ich geglaubt. Das war Ersatz für alles - für eine gewisse Zeit. Dann hast nicht mehr wichsen dürfen, das war ja langweilig. Das ist ja lebensfeindlich. Da war es vorbei."

K wie krank
"Ich habe immer Filme gemacht, weil krank werden wollte ich unter gar keinen Umständen. Wenn du krank bist, dann bist du ein hilfloser Depp. Ein hilfloser Depp war ich als Filmemacher auch, aber ich habe was gesagt und ich habe was gezeigt."

L

L wie Laien
"Ich habe nur mit Laien gedreht, außer mit dem Bierbichler. Der war Profi, und das merkt man. Das ist so eine gewisse gelangweilte Spielweise, die sie sich aneignen, um im Fernsehen aufzufallen, aber nicht zu sehr aufzufallen."

L wie Langeweile
"Ich langweile mich gerne. Das finde ich schön. Aber das muss man alleine machen, das kann man den anderen nicht zumuten."

M

M wie Malen
"Ich habe immer schon gemalt. Meine Mutter hat auch immer gern gemalt. Von der habe ich das Talent."

M wie Mist
"Ich wollte nur meinen Mist machen. Aber da habe ich mir auch nicht reinreden lassen."

N

N wie Natur
"Meine Filme waren ein Naturwunder."

S

S wie Skandal
"Dreimal haben's mir ins Kino geschissen. Da sieht man, dass die feinen Leute oft die größten Drecksäue sind. Dabei war 'Das Gespenst' der beste Christus-Film, den es gab. Was der Scorsese und der Mel Gibson zuletzt gemacht haben, ist ja richtig feig dagegen."

T

T wie Theater
"Ich mochte das Theater nie, ich hab's nur gemacht, um Geld für die Filme zu haben."

T wie Tod
"Der Tod und das Sterben ist die beste Quelle für die Fantasie."

V

V wie Vater
"Den hab ich immer gemocht, aber er war nie da. Von meinem Vater konnte ich nur zwei Dinge erwarten: entweder in den Tierpark gehen oder wieder in den Tierpark gehen."

W

W wie Weinen
"Ich kann nicht weinen. Ich kann nur saublöd lachen."

W wie Wirtshaus
"Einen Abend ohne Wirtshaus finde ich gottlos!"

Z

Z wie Zuflucht
"Der Stammtisch war ein Zufluchtsort in der Zeit, in der wir keinen Film gemacht haben."

Niemand weiß, wer Achternbusch wirklich ist

Herbert Achternbusch mit Weißbier vor selbstgemaltem Bild (2005)

Selbstverständlich wollen wir an dieser Stelle nicht behaupten, dass Achternbusch erst ab 1,5 Promille zu ertragen sei, sondern lediglich: Achternbusch war kein Hollywoodstar, kein Wetten-dass-Moderator, kein Plug-and-play-Produkt. Achternbusch war Achternbusch, von dem niemand weiß, wer er wirklich ist. Auch der Autor dieser Sendung, Thomas Kernert, nicht. Ist aber auch egal. Wer ihn mag, mag ihn, wer ihn nicht mag, sollte sich vielleicht diese Sendung anhören!


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