Bayern 2 - Bayerisches Feuilleton


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Die Belichtung der Welt Fotopioniere des 19. Jahrhunderts

Dietmar Siegert, Herstellungsleiter beim Film, Standfotograf, Motiv-Entdecker, entschied sich für das 19. Jahrhundert, und ließ auf der Suche nach Originalfotografien auf all seinen Reisen für europäische Filmproduktionen kein Antiquariat und keinen Flohmarkt unbesucht. Er wurde Stammgast europäischer Auktionshäuser und hob im Laufe der Jahrzehnte einen Schatz von rund 15.000 Fotografien aus der Tiefe der Zeit.

Von: Barbara Knopf

Stand: 16.02.2013 | Archiv

Wertvolle alte Plattenkameras | Bild: picture-alliance/dpa

Interessiert das noch jemanden in digitalen Zeiten: Fotografien aus dem 19. Jahrhundert, schwarzweiß, braunstichig und gelegentlich stockfleckig, Bilder aus einer Epoche, als die Welt zum ersten Mal belichtet wurde? Offenbar ja. Denn diese Inkunabeln der Fotografie können heute auf Auktionen und Kunstmessen Preise im fünfstelligen Bereich erzielen.

Biete Aktfotos gegen bayerische Schlösser!

Der Münchner Filmproduzent und Fotoenthusiast Dietmar Siegert hat über Jahrzehnte eine Sammlung von Museumsqualität zusammengetragen, mit dem Furor des Entdeckers und der Chuzpe des Strategen, der auch in den Revieren anderer Sammler wildert, um Tauschmaterial zu haben: Biete Aktfotos gegen bayerische Schlösser!

Siegerts Sammlung umfasst rund 15.000 Fotografien

Foto des Kopfes der Bavaria von Alois Löcherer

Neuschwanstein zum Beispiel, wie es Joseph Albert erhaben ins Bild gesetzt hat, der erste königlich-bayerische Hoffotograf. Albert porträtierte nicht nur die Wittelsbacher, sondern auch zahlreiche Münchner Bürger und Bürgerinnen – z.B. auf den berühmten Märchenbällen. Und es gab weitere bayerische Fotopioniere: Carl August von Steinheil etwa, den "bayerischen Daguerre", oder Alois Löcherer, der 1850 in einer der weltweit ersten Fotoreportagen den Transport der Bavaria auf die Theresienwiese festhielt! Und natürlich Franz Hanfstaengl, den gewieften Münchner Societyfotografen. Auch seine Stadtansichten – etwa des Gasteigs in Haidhausen oder der Residenz – sind berühmt geworden. Diese Salzfotografien von 1854 hat der Sammler Dietmar Siegert bei einem Kollegen in Rom entdeckt – der lagerte Hanfstaengls Veduten im Keller einer Kirche. Siegerts Sammlung umfasst rund 15.000 Fotografien, deren Herkunft von Bayern bis China reicht. Die Deutschlandbilder sind zur Zeit im Münchner Stadtmuseum zu sehen.

Die Suche nach der entschwundenen Wirklichkeit

Karl Valentin: "Es neuyorkelt in München"

Ein Feuilleton von Barbara Knopf über die leidenschaftliche Suche des Sammlers nach einer entschwundenen Wirklichkeit – zwischen Biedermeier und Gründerzeit. Diesen Aufbruch in die Moderne hat Karl Valentin später bejammert mit der Feststellung: „Es neuyorkelt in München“. Valentin war übrigens auch Fotosammler ...

Ausstellung im Stadtmuseum München vom 30.11.2012 - 20.5.2013


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