Bayern 2 - Bayerisches Feuilleton


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Fassbinder pur Die frühen Münchener Jahre

"Wir werden glücklich sein/ Wenn Härte, alles Böse abgefallen ist/ Der Tod, er ist nur Schein/ Wenn dich der letzte Windhauch küsst". - Die letzte Strophe eines frühen Gedichts von Rainer Werner Fassbinder, der vor genau 30 Jahren gestorben ist. Wir erinnern an ihn mit einem Porträt im Spiegel seiner engsten Weggefährten jener Zeit, in der in München die ersten großen Fassbinder-Filme entstanden.

Von: Ulli Lommel und Friedemann Beyer

Stand: 09.06.2012 | Archiv

Rainer Werner Fassbinder | Bild: picture-alliance/dpa

"Er war ein sehr aufmerksamer Mensch ... der Arbeit gegenüber, den Menschen gegenüber."

(Irm Hermann) 

"Er war immer einer, der die Geister so stark geschieden hat. Entweder man mochte ihn oder man war allergisch gegen ihn."

(Hanna Schygulla) 

"Das erste, was man bei Fassbinder spürte, war seine Integrität. Er ließ sich nicht verarschen oder verkaufen."

(Ulli Lommel)

Rainer Werner Fassbinder: Dichter, Schauspieler, Regisseur. Enfant terrible und Wunderkind des Jungen Deutschen Films. In nur 14 Jahren - zwischen 1968 und 1982 - drehte er 33 abendfüllende Spielfilme für Kino und Fernsehen, vier Fernsehserien und vier Videofilme. Dazu kommen 30 Theaterstücke, vier Hörspiele und 12 Filme anderer Regisseure, in denen er als Schauspieler auftrat.

München blieb Fassbinders kreatives Zentrum

Filmszene aus "Angst essen Seele auf"

Trotz Engagements in Bochum, Frankfurt und Bremen, trotz Dreharbeiten in Frankreich, Spanien und Marokko war und blieb München für Fassbinder das kreative Zentrum, der Mittelpunkt seines Lebens und Arbeitens. In München entstanden seine ersten, seine persönlichsten und seine berührendsten Filme. Filme voller Tristesse, stilistischer Radikalität und Sentiment. Die frühen Münchener Jahre, das sind die Jahre zwischen seinen Filmen "Liebe ist kälter als der Tod" (1969) und "Angst essen Seele auf" (1973). Jahre, in denen er mit einem kleinen, eingespielten Team von Vertrauten arbeitete. Ein Team, zu dem unter anderen auch der Schauspieler und spätere Filmemacher Ulli Lommel gehörte, der in dieser Zeit an über 20 Produktionen Fassbinders beteiligt war.

Fassbinder pur

Ulli Lommel

"Diese frühen Münchener Jahre, das war für mich Fassbinder pur" erinnert sich Ulli Lommel, "danach wurden die Budgets größer, die Filme aufwändiger, ihre Themen publikumsträchtiger." Er und Friedemann Beyer entwickeln im Gespräch ein Porträt des Rainer Werner Fassbinder der späten 60er und frühen 70er Jahre im Spiegel seiner damals engsten Weggefährten.

"... die Frau, die ich zum größten Star Europas machen werde."

Hanna Schygulla

Hanna Schygulla:
Ich hatte immer das Gefühl, der mag mich nicht. Das war also zwischen uns eine Beziehung, die sich nie richtig ausgesprochen hat. Und wie ich von der Schauspielschule abgegangen bin, wusste ich auch nicht, dass wir uns wieder sehen werden.


Friedemann Beyer:
Doch dann führte Fassbinder Ulli Lommel, kurz nachdem die beiden sich kennen gelernt hatten, in eine Schwabinger Kneipe.

Ulli Lommel:
Er sagte: Ich muss dir die Frau vorstellen, die ich zum größten Star Europas machen werde. Dann sind wir in so 'ne verrauchte Kneipe und er spielte wie so‘n Verrückter Flipper. Und ich schaute mich immer um, da war nichts Attraktives zu sehen. Und ich sagte zu Rainer: „Wer ist denn nun die Frau, die Du zum größten Star Europas machen wirst?“ Und er zeigte auf die Kellnerin und sagte: „Die natürlich, die da“. Und das war die Hanna Schygulla, die in der Kneipe Bier servierte.

Hanna Schygulla:
Mir hat er davon nie etwas erzählt.


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