Bayern 2 - Bayerisches Feuilleton


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Schräge Vögel. Schiefe Blicke. Die erste Ausstellung des "Blauen Reiters"

Vor über 100 Jahren eröffnete in der Modernen Galerie Tannhauser im Arco-Palais eine Ausstellung, die München weltberühmt machte - mit Bildern, die wegweisend waren für die Kunst des 20. Jahrhunderts. - Folgen Sie einem Rundgang von Julie Metzdorf.

Von: Julie Metzdorf

Stand: 04.05.2013 | Archiv

Eine Mitarbeiterin des Museum Ludwig geht in Köln an dem Bild "Blaues Pferd" von Franz Marc aus dem Jahr 1911 vorbei | Bild: picture-alliance/dpa

"Der Galeriebesitzer beklagte sich, dass er nach jeder täglichen Schließung die Bilder abtrocknen müsste, weil das Publikum sie angespuckt hätte", erinnert sich Wassily Kandinsky später. Doch er bezog sich dabei nicht auf die erste Ausstellung des Blauen Reiters, sondern auf eine Schau jener Künstlergruppe, aus der er und einige Mitstreiter austraten, weil sie ihnen nicht modern genug war! Am 18. Dezember 1911 eröffneten die Protestler in der Modernen Galerie Thannhauser im Arco-Palais in der Münchner Theatinerstraße ihre eigene Ausstellung. Zwei Räume dicht gefüllt mit fast 50 Bildern von einem guten Dutzend internationaler Künstler. Stilistisch waren die Werke äußerst verschieden, kubistische Arbeiten hingen neben naiven, kindlich wirkenden Bildern, fast Abstraktes neben bayrisch anmutender Hinterglasmalerei.

"Eine innere Gemeinsamkeit in der Verschiedenheit"

(v.l.) Maria und Franz Marc, Bernhard Köhler, Heinrich Campendonk, Thomas von Hartmann und Wassily Kandinsky (sitzend in der Mitte)

Die Künstler des Blauen Reiters vertraten keinen gemeinsamen Stil, auch nicht den vielzitierten "deutschen Expressionismus". Was hätten sonst die Arbeiten des französischen Kubisten Robert Delaunay in der Ausstellung zu suchen gehabt? Es ging vielmehr darum, "eine innere Gemeinsamkeit in der Verschiedenheit aufzuzeigen". Der Blaue Reiter - so Julie Metzdorf - war keine feste Künstlergruppe. Die beiden  führenden Köpfe Wassily Kandinsky und Franz Marc fungierten eher als Kuratoren und luden Künstler mit ähnlichen Intentionen ein, so etwa Gabriele Münter und Heinrich Campendonk, später auch Alexej von Jawlensky, Marianne von Werefkin, August Macke und Paul Klee, aber auch den Komponisten Arnold Schönberg. Parallel arbeiteten Kandinsky und Marc an einem Almanach, der ihre Ideen erklären und bebildern sollte.

Der Erste Weltkrieg bedeutete das jähe Ende des "Blauen Reiters"

Der Almanach "Der Blaue Reiter" gilt heute als die wichtigste Programmschrift der Kunst des 20. Jahrhunderts. Der improvisierte und fragmentarische Charakter der Publikation hat dem Erfolg keinen Abbruch getan. Schon bald konnte man eine zweite Auflage drucken. Ohnehin war das Buch von Anfang an als Auftakt einer periodisch erscheinenden Reihe gedacht. Doch einen zweiten Band gab es nie.

Der Ausbruch des ersten Weltkriegs bedeutet das jähe Ende des "Blauen Reiters". Franz Marc und August Macke werden zum Militärdienst eingezogen. Macke fällt wenige Wochen später in der Champagne, Marc 1916 bei Verdun. Jawlensky und Marianne von Werefkin fliehen in die Schweiz, ihre Beziehung zerbricht.

Auch Kandinsky und Münter reisen zunächst in die Schweiz. Von dort flieht Kandinsky weiter nach Moskau. Fast sein gesamtes künstlerisches Frühwerk und viele Bilder befreundeter Künstler lässt er unter der Obhut Gabriele Münters in München zurück. Im neutralen Schweden treffen sich die beiden 1916 noch ein letztes Mal. Kandinsky heiratet in Moskau Nina Andreewsky und kehrt erst Anfang der 20er Jahre nach Deutschland zurück, um als Lehrer am Bauhaus in Weimar zu arbeiten.

Eine neue Heimat für den "Blauen Reiter"


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