Bayern 2 - Bayerisches Feuilleton


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Schön kaputt! Die hohe Kunst des Restaurierens

Von Karl Valentin stammt das Bonmot "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit." Letzteres gilt umso mehr, wenn es um die Erhaltung oder sogar die Rekonstruktion des Schönen geht. - Ulrich Zwack beschäftigt sich mit dem Berufsstand der Restauratoren, die aus ganz schön Kaputtem immer wieder ganz schön Bestaunenswertes zaubern müssen.

Von: Ulrich Zwack

Stand: 23.04.2016 | Archiv

Ohne ihre Arbeit wäre Leonardo da Vincis weltberühmte Mona Lisa im Louvre heute kaum mehr als ein buntbekleckstes Pappelholzbrett, Dürers Schmerzensmutter in der Alten Pinakothek nur mehr ein säurezerfressenes Nichts – und präsentierten sich die Residenzen von Würzburg und München oder die Nürnberger Burg nur mehr als ausgeglühte Gebäudeskelette.

Unwiederbringliches für die Weltöffentlichkeit retten

"Stuhl mit Fett (1963)" von Joseph Beuys

Gemeint sind die Restauratoren, Angehörige einer Zunft, deren höchstes Ziel es eigentlich ist, durch rein konservatorische Maßnahmen zu verhindern, etwas reparieren zu müssen. Dem steht jedoch die menschliche Zerstörungswut entgegen, die leider auch vor bedeutenden Kunst- und Kulturdenkmälern nicht Halt macht. Wie auch der Zahn der Zeit: Selbst der beste Firnis, die sorgfältigst angerührte Öl- oder Temperafarbe und der härteste Fresko-Putz halten ja nicht ewig. Geschweige denn moderne Kunstwerke aus vergänglichen Materialien wie etwa die Fettinstallationen aus dem Beuys'schen Oeuvre. Entsprechend gilt es früher oder später unweigerlich, mit größtem Einfühlungsvermögen und perfekter Beherrschung kunsthandwerklicher Praktiken Unwiederbringliches für die Weltöffentlichkeit zu retten. Im Extremfall müssen Restauratoren sich dann nicht nur als Restauratoren betätigen, sondern auch als Rekonstrukteure. Und in einer Zeit sich ständig verfeinernder Untersuchungsmethoden und stetig verbesserter Verfahrenstechniken müssen sie sich auch immer mehr zu hochqualifizierten Naturwissenschaftlern und Labortechnikern weiterbilden.

Manchmal stößt die Restauratorenkunst auch an ihre Grenzen

Deckenmalerei in der Sixtinischen Kapelle in Rom

Mitunter reichen freilich auch sämtliche Restaurierungsfertigkeiten nicht aus, um ein Kunstwerk wieder in seinen Urzustand zurückzuversetzen. Ein berühmtes Beispiel für die Grenzen der Restauratorenkunst ist die Sixtinische Kapelle in Rom.

"Braghettone", der Hosenmaler

Als von der Antike begeisterter Renaissancekünstler war es für Michelangelo selbstverständlich, auch Heilige und biblische Gestalten unbekleidet zu freskieren. Hatte er sich dabei nichts weiter gedacht, so dachten sich seine kirchlichen Auftraggeber beim Anblick der von ihm geschaffenen nackten Tatsachen umso mehr – und erteilten dem Michelangelo-Schüler Daniele da Volterra Weisung, die Obszönitäten mit dem Pinsel wieder aus der Welt zu schaffen. Volterra tat dies so gewissenhaft, dass er die beanstandeten Partien nicht einfach übermalte, sondern mit dem Meißel abschlug und al fresco von Grund auf neu gestaltete. Das hat ihm seinerzeit den Spitznamen Braghettone eingetragen – Hosenmaler. Michelangelos Nuditäten aber waren nach dieser Radikalkur für immer und ewig unrettbar dahin.

"Waschen und Konservieren"

Dabei hat der Restauratorenstand gerade in der Sixtinischen Kapelle bewiesen, zu welch schönen Leistungen er heute fähig ist. Vorangegangene Restauratorengenerationen hatten die dortigen Fresken schwer geschädigt, indem sie sie jahrhundertelang mit Brot, Wasser, Retsina und Leinöl malträtierten. Sie nannten das Ganze zwar "Waschen und Konservieren", brachten aber in Wahrheit Kerzenruß, Weihrauchrückstände, Staub und Alltagsschmutz tief in die Wand- und Deckengemälde ein und versiegelten diese obendrein. Das Ergebnis war, dass die Figuren schließlich wie vernebelt wirkten, was man am Ende gar für einen von Michelangelo gewollten Effekt hielt.


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