Mare Bavaricum Die Bayern und das Meer
Das "Bayerische Feuilleton" schnürt den Seesack und läuft aus zu einer Entdeckungsreise durch die wogenden Weiten der bayerischen Seefahrer-Seele. Unter anderem an Bord der Fregatte "Bayern", die am Horn von Afrika die Seewege bewacht …
In dieser Geschichte geht es um Sehnsucht. Um die Sehnsucht nach etwas sehr Fernem. Nach dem Meer. Dem Ozean. Der See. Was läge dem Bayern ferner? In Ermangelung einer Küste muss er sich mit den großen Voralpenseen behelfen.
Der Chiemsee, schön aber kein Meer mit Salzwasser, Ebbe und Flut
Aber ehrlich: Der Chiemsee, dieses sogenannte "Bayerische Meer"? Lindau, enger Zugang zur Dreiländer-Badewanne Bodensee? Schon schön, aber eben kein Meer, kein Tidenhub, und: kein Salzwasser. Was ist für den echt maritimen Bayern denn schon der Chiemsee, verglichen mit dem Korallenmeer des Pazifischen Ozeans, der wildschäumenden Dünung vor Kap Hoorn, den schwarzkalten Wassern des Nordatlantiks? A Lacka (bayr.), zu Deutsch Pfütze! Und auch das Steinerne Meer der Alpen lässt ihn kalt. In den engen Tälern und Schluchten des Berchtesgadener Landes bekommt er Atemnot und Beklemmung. Den dunklen Tann des Bayerwaldes meidet er mangels Horizont.
"Diese 'anderen' Bayern, ob Franken, Schwaben oder Altbayern, ziehen den Wellenberg dem Taubenberg vor. Das muffige, moosige, modrige, von Giftpilzen durchsetzte Unterholz des monokulturellen Staatsforstes stößt sie ab, sie suchen weichen Sand und leichten Algen-Muschel-Duft in salziger Brise. Diese 'anderen' Bayern suchen und finden ihr 'mare bavaricum' überall auf dem Globus, und nicht nur zwischen Prien und Chieming."
(Michael Zametzer)
Als Otto König von Griechenland war
Es gibt sie also, diese ozeanischen Gefühle, tief verankert in der bayerischen Seele. Diese unstillbare Sehnsucht. Und wen sie packt, den treibt sie weit fort. Das Mittelmeer liegt da fast noch zu nah. Als 1832 mit Otto I. ein Wittelsbacher König von Griechenland wurde, hatten die Bayern sogar kurzzeitig die vage Chance auf eine Hochseeflotte. Immerhin waren die Griechen seit jeher stolze Seefahrer. Den bayerischen Landratten war das aber wurscht, sie dachten gar nicht an den Neubau griechischer Schiffe. 20.000 Matrosen verloren ihre Arbeit und wanderten ab, ins verhasste Osmanische Reich. Wieder kein 'mare bavaricum'.
Marinekameradschaften und Shanty-Chöre
Und natürlich gab es auch im Königreich Bayern Flottenvereine, deren Mitglieder sich begeistert für des Kaisers Lieblingsspielzeug, die Deutsche Hochseeflotte, ins Zeug legten. 32 Marinekameradschaften von München über Forchheim bis Coburg gibt es heute noch im Freistaat. Warum? Wieso singen gestandene Oberpfälzer im Shanty-Chor? Was bewegt so viele Bewohner des Voralpenlandes dazu, auf hoher See Segel zu setzen – und am Ende vielleicht sogar die finale Heimkehr in Gestalt einer Seebestattung anzustreben? Woher rührt die Begeisterung für alles Maritime?
"Viele in unserem Verein sind selber mal zur See gefahren, bei der Deutschen Marine, früher hieß es ja noch Bundesmarine, und wir haben auch immer natürlich das in unserem Hirn drin, ist verankert, wie so ein Virus, der sich festgesetzt hat, chronische Erkrankung, und deswegen versuchen wir natürlich auch immer wieder welche zu kriegen, zu überzeugen, dass der Dienst bei der Marine auch eine Bedeutung für Bayern hat."
(Hans Gerhard Braun, Marinekameradschaft Forchheim e.V.)