Bayern 2

     

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Schätze im Untergrund Steinreiche Oberpfalz

Die Oberpfalz ist im wahrsten Sinne des Wortes steinreich. Den Bauern macht das Probleme. Doch es gibt auch Schätze im Untergrund: Uran zum Beispiel. Das beschäftigt die Region bis heute. Der unterirdische Reichtum ist Fluch und Segen zugleich.

Von: Harald Grill

Stand: 05.08.2019 | Archiv

Zeit für Bayern-Autor Harald Grill reist durch die Oberpfalz und erkundigt sich bei Mineraliensammlern nach Fluch und Segen des unterirdischen Reichtums der Region. Dabei trifft er auf Hannes Burdack – Lehrer im Ruhestand und Mineraliensammler aus Leidenschaft. Beziehungsweise Steinsammler aus Leidenschaft.

"Des san Edelsteine, aber eigentlich alles Mineralien, ich sammel Mineralien. Mia Oberpfälzer sagn Stoa und mia sagn aa net: Mineraliensammler, mia sagn aa net wia de im Gebirge Strahler, sondern mia san Stoaklopfer, Stoasammler. Und de schönsten Steine für mich san immer de, de ich selber gfundn hab."

Hannes Burdack, Steinsammler

Die mit Steinen gefüllten Vitrinen im Kellergeschoß von Hannes Burdack zeugen von seiner Leidenschaft. Er hat sich seine kindliche Freude am Sammeln bewahrt und sie im Laufe der Zeit ergänzt – durch ein profundes Wissen über seine Sammelobjekte, seine Stoana. Einer davon ist ein ganz besonderer Stein.  

"Des is a schwarzer Flussspat. Der is übrigens schwarz, man nennt n Stinkspat, wenn ma n anschlägt riecht a, weil nämlich da Uran drin is, und Uran hat diesen Flussspat schwarz gefärbt. Und jetz mach ma amal s Licht aus. Und jetzt nehm ma UV-Licht. Und jetzt siehst grünlich glänzende Kristalle, die vorher gar net sichtbar waren. Die nennt ma Uranglimmer oder Torbanit. Ich hab an Geigerzähler. Da is Uran drin, allerdings in winzig kleinen Mengen."

Hannes Burdack, Steinsammler

Radioaktive Steine lagern jetzt in einer Eisenkiste

Mit den radioaktiven Steinen geht er vorsichtig um. Als er vor Jahren mit dem Geigerzähler durchs Haus ging und das intensive Ticken gar nicht mehr aufhören wollte, trennte er sich schweren Herzens von etlichen Kisten seiner so mühsam zusammengesuchten Mineralien. Was er noch an uranhaltigem Material besitzt, verwahrt er sorgfältig in speziellen Behältern.

"Des is also net ein Schatzkästlein, sondern das ist eine Eisenkiste, und des hat scho an Grund, warum i de da drin hab. Do is natürlich aa Uran drin – des is Uranoxid, Uraninit oder: Pechblende."

Hannes Burdack, Steinsammler

Uran sollte ein positives Image bekommen

1953 proklamierte US-Präsident Eisenhower die friedliche Nutzung der Atomenergie. Das war auch die Zeit, als man in Wölsendorf Pechblende fand. Uran sollte nach den Atombombenangriffen Hiroshima und Nagasaki und neben dem Wettrüsten der Großmächte, das weiter im vollen Gange war, ein positives Image bekommen.

Strauß und der Ausbau der Atomkraft

Zwei Jahre später wurde in Deutschland das Bundesministerium für Atomfragen geschaffen. "Atomminister" wurde Franz-Josef Strauß, der sich massiv für den Ausbau der Atomkraft einsetzte und schon bald die Gründungsurkunde der "Kernreaktor Bau- und Betriebsgesellschaft mbH" unterschrieb.

Auf der Suche nach Uran

Ungefähr 15 Kilometer östlich von Wölsendorf im Tal des übermütig mäandernden Wiesenflüsschens Schwarzach liegt idyllisch die 800-Seelen-Gemeinde Altendorf. Bürgermeister Georg Köppl steht am Schirmberg vor einem ehemaligen Stolleneingang in der Nähe von Altendorf.  

"Hier hat's vor vierzig Jahren Versuchsstollen für Uranabbau gegeben. Da war also meines Wissens so ab 1976 die Firma Saarberg Interplan in weiten Teilen der Oberpfalz unterwegs und hat nach Uranvorkommen geforscht. Und dann hat man Versuchsbohrungen gemacht. Und im Jahre 1979 hat sich dann die Saarberg Interplan im Auftrag des Bayerischen Wirtschaftsministeriums entschlossen, hier einen Versuchsstollen zu machen."

Georg Köppl, Bürgermeister von Altendorf

Der Stollen hatte eine Länge von circa 250 Metern, so Köppl. 1989 hieß es dann in einer Art Abschlussbericht: Es gibt Uranvorkommen, der Abbau ist aber nicht wirtschaftlich. Viele Leute haben damals "im Spat" gearbeitet, wie die Einheimischen den Stollen nannten. Das waren wichtige Arbeitsplätze.

Exotische Schatzsucher aus der Fremde

Heimatkunde, die nie in der Schule vermittelt wurde, umrankt von einer Geheimniskrämerei wie im Mittelalter bei den Venezianern, die heute noch als Venedigermandln durch die Oberpfälzer Sagen geistern. Aus den Mittelmeerländern sollen sie gekommen sein, die Erz- und Mineraliensucher. Manche suchten nach Mineralien, die zur Glasherstellung benötigt wurden, andere nach Gold, Silber oder Kupfer. Die Glasmacher, Edelsteinschleifer, Gold- und Silberschmiede der Handelszentren der damaligen Zeit, wie Konstantinopel oder Venedig, hatten einen großen Bedarf an Rohstoffen.

Wegen der fremden Sprache und der geheimnisvollen, unterirdischen Tätigkeit der Fremden, erfanden die Einheimischen über sie die wildesten Geschichten, in denen sie ihnen Zauberkräfte andichteten und Bündnisse mit dem Teufel.

Die "Waffenkammer des Mittelalters"

Nach den Schatzsuchern aus den Mittelmeerländern schien so mancher in der Oberpfalz Reichtümer unter der Erde zu riechen, wie Wildschweine die Trüffel. Wegen der Eisenerzvorkommen nannte man die Oberpfalz sogar die "Waffenkammer des Mittelalters".

Uranfunde in der Nähe von Mähring

Die Uransucher der Gewerkschaft Brunhilde, die Venezianer des 20. Jahrhunderts, fanden Uranerz in der nördlichen Oberpfalz nah bei Mähring, dort wo schon im Mittelalter nach Kupfer und Silber gegraben wurde. Der Sage nach soll in dieser Gegend auch die reiche Tillenstadt gestanden haben, die wegen der moralischen Verkommenheit ihrer Bewohner im Erdboden versunken ist. Die Gestaltung des Dorfbrunnens in Neualbenreuth thematisiert dies und der Vorname der Wahrsagerin Sibylle Weis aus der Tillensage lieferte den Namen für das heutige Sibyllenbad.

Ferdl Wagner und sein Museum

In Mähring, direkt an der tschechischen Grenze lebt der Mineraliensammler Ferdl Wagner. Er hat für seine vielen Steine sogar ein Museum gebaut.

"Bei uns hier auf den Oberpfälzer Feldern findet man kleine Kristalle, Quarzkristalle, Granaten und solche Sachen. Und des hat mi halt als Kind schon inspiriert, als Siebenjähriger beim Kartoffelgraben. Ich hab halt dann mehr auf die Steine geachtet, als auf die Kartoffeln. Naja, die Sammlung wird halt immer größer. Ich hab am Anfang weltweit gsammelt und dann spezialisiert ma se auf Lagerstätten. Es gibt halt welche, die sammeln nur Flussspäte, die andern sammeln nur Quarze. Die andern sammeln nur regional in der Oberpfalz oder im Fichtelgebirge. Es gibt halt verschiedene Sammler."

Ferdl Wagner, Steinmetz und Museumsbetreiber in Mähring

Ferdl Wagner hatte prominente Vorgänger beim Steinesammeln in dieser Gegend. Der Goethe sammelte in der Nähe von Neualbenreuth. Auch er hätte ein Museum eröffnen können. Am Ende seines Lebens nannte er 18.000 Sammelstücke sein eigen.

Wettrüsten nach dem Zweiten Weltkrieg

Bald nach dem Zweiten Weltkrieg setzte das Wettrüsten der Großmächte ein. Ab Mitte der 1950er Jahre entstanden auf tschechischer Seite entlang der Grenze zu Bayern mehrere Uranbergwerke: Witkov 1, Witkov 2 bei Tachau und das Bergwerk Tillen am Fuße des gleichnamigen nördlichsten Berges des Böhmerwaldes. In dem tausend Meter tiefen Schacht arbeiteten bis 1990 über 100.000 Menschen. Mit dem Uran belieferten die Tschechen die sowjetischen Atombombenbauer.

Als man die Bedeutung des Urans für die Energiewirtschaft erkannte und glaubte eine unerschöpfliche Energiequelle gefunden zu haben, wurde auch in Deutschland Uranzerz gebraucht. Franz Josef Strauß vergab die Schürfrechte im Fichtelgebirge und in der Oberpfalz unter anderem an die Gewerkschaft Brunhilde und an die Bayerischen Braunkohlen Industrie AG (BBI) in Wackersdorf.

"So a Uranmetall, wenn's aufbereitet is, is es ja noch nicht beschossen worden. Da ist der Kernprozess no net aktiviert. Erst wenns amol mit Elektronen beschossen is, dann is der Prozess nimmer zum Aufhalten. Dann geht die Kernspaltung erst amal los. Du hast halt die Strahlung do: Alpha, Beta, Gamma… Radonentwicklung hast halt, Gas, wennst etza an geschlossenen Raum hast. A Keller im Granit. Des san halt Alphastrahler und des tuast in die Lunge inhalieren. Wenn es Radon zu hoch wird, entstehen aa wieder andere Krankheiten. Schneeberger Krankheit und so Zeug, die san ja bekannt. Lungenkrebs, Kehlkopfkrebs, Speiseröhrenkrebs. Früher hat da Bergmann trocken gebohrt. Da hats dann net bloß Staublunge geben, da hats halt massenweise Krebs geben. Wennst a so a Uranmineral anlangst, dann hast halt die Hand mit so kleine Glimmer voll. Wennst dann a Wurstbrot isst oder a Zigretten rauchst dann bringst as in dein Kreislauf rein und wenn se des dann verkapseln tuat hast halt irgendwann an Tumor."

Ferdl Wagner, Steinmetz und Museumsbetreiber

Das Ende des Uranbergbaus in Ostbayern

Im Landkreis Tirschenreuth wurden zwischen 1958 bis 1982 die Gruben Höhenstein bei Poppenreuth und Wäldel bei Mähring erkundet und betrieben - allerdings mit magerer Rentabilität. 1982 titelte schließlich die Oberpfälzer Tageszeitung "Der Neue Tag": Ein "strahlender" Traum zerronnen. Das Ende des Uranbergbaus in ganz Ostbayern zeichnete sich ab. Der Weltmarktpreis für Uran war gefallen und die Vorräte in der Oberpfalz konnten nur mit einem enormen finanziellen Aufwand aufgearbeitet werden.

Geplante Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf

Franz Josef Strauß hatte sich jedoch auf die Atomkraft festgelegt. Über Jahrzehnte hinweg bemühte er sich, sie durchzusetzen. In seiner Zeit als Bayerischer Ministerpräsident änderte er seine Pläne und entschied sich für eine technische Lösung des Uranproblems – für eine industrielle Wiederaufbereitung abgebrannter Kernbrennstäbe in Wackersdorf und damit zumindest indirekt – so vermuteten Kenner der atomaren Aufrüstung – für den Zugang zu atomwaffenfähigem Material.

Anti-Atom-Protest in Wackersdorf

Doch Franz Josef Strauß hatte die Einheimischen unterschätzt, sie waren keine Hinterwäldler mehr – so wie es noch 1545 der Dichter, Geschichtsforscher und spätere protestantische Pfarrer von Pettendorf bei Regensburg, Kaspar Brusch, in seiner Beschreibung des Fichtelgebirges auf den Punkt gebracht hatte: "Die Venezianer, diese fremden Landkundschafter, führen große Schätze mit sich von dannen und kennen die Bodenschätze hierzulande besser als die Einheimischen, die zuweilen mit einem Stein nach einer Kuh werfen, der wertvoller ist als die Kuh" –  eine Formulierung, die später sprichwörtlich geworden ist.

Widerstand gegen die Staatsgewalt

Die Oberpfälzer des 20. Jahrhunderts aber, und ihre Unterstützer aus ganz Deutschland und Österreich waren hellhörig geworden. Erst recht nach der Katastrophe von Tschernobyl 1986. Sie widersetzten sich der Staatsgewalt mit einer in Deutschland noch nie dagewesenen Intensität und Ausdauer und wehrten sich gegen die geplante Wiederaufbereitungsanlage, unter dem Motto des Schwandorfer Landrats Hans Schuierer: "Es kämpft sich nicht schlecht für Heimat und Recht."

Suche nach einem Endlager

Diese Zeiten sind nun vorbei. Heute ist man weltweit auf der Suche nach einem Endlager, in dem sich radioaktive Abfälle für Millionen von Jahren wegschließen lassen. Und auch hier ist die Steinpfalz wieder im Gespräch.


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