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Bayern genießen Rost genießen im Juni

Den Rost gibt es als Folge von Oxydation und als Gitterwerk fürs Grillen: Außerdem leiten sich viele Begriffe vom Rost ab. Rot zum Beispiel oder die Rose, der Grat, die Gräte, der Krattler – aber auch der Adlerhorst. Wir wollen so, rechtzeitig zur Grillsaison, in der Bayern-genießen-Ausgabe vom Juni die Genuss-Aspekte all dieser Rost-Begriffe vorstellen.

Von: Gerald Huber

Stand: 02.06.2018 | Archiv

Lieber doppeldeutig als einfältig haben wir uns diesmal gesagt und kredenzen Ihnen heute ein beispielhaft mehrdeutiges Motto: Der Rost als Folge von Oxydation einerseits, andererseits aber auch der Rost als Gitterwerk. Ausgehend von diesen beiden Grundbedeutungen finden sich dann noch jede Menge Wörter, die damit verwandt sind. Rot zum Beispiel oder die Rose, der Grat, die Gräte, der Krattler – aber auch der Adlerhorst. Wir wollen Ihnen, rechtzeitig zur Grillsaison, in der heutigen Bayern-genießen-Ausgabe die Genuss-Aspekte all dieser Rost-Begriffe – hoffentlich wie immer unterhaltsam! – vorstellen:

Hier unsere Genuss-Themen aus den bayerischen Regionen rund ums Motto "Rost"

Oberfranken – Gegrillter Fisch vom Rost

Ausgangspunkt all unserer rostigen Überlegungen ist das lateinische Wort cratis, das so viel bedeutet wie Flechtwerk aus Ästen oder Ruten. Mit so einer cratis haben die römischen Bauern cratiert, das heißt sie haben mit dem Flechtwerk geeggt, also damit den Boden aufgekratzt – unser Wort kratzen stammt unmittelbar von cratire ab.
Auch das althochdeutsche Wort rata oder raza hat sich daraus entwickelt. Es bedeutet ebenfalls Geflecht, Wabe. Neuhochdeutsch ist daraus die Rose geworden. Nicht die Blume, sondern die Fensterrose, wie sie häufig in gotischen Kathedralen zu finden ist – ebenfalls ein Flecht- und Wabenwerk aus Steinen, durch die das Licht der Westsonne fällt. Von dieser Rose ist der Weg nicht mehr weit zum Roost oder Rost, einem ursprünglich hölzernen Gitter oder Gatter. Bald hat man diese Gitter der höheren Stabilität wegen mit Eisen beschlagen oder auch ganz aus Eisen gemacht. Und es hat auch nicht lang gedauert, bis der Rost, jetzt waagerecht aufgestellt, Einzug in die Küchen gehalten hat. Um nochmal zum Lateinischen zurückzukommen. Im übertragenen Sinn hat das Wort cratis auch Skelett bedeutet. Der Brustkorb zum Beispiel ist ja auch eine Art Geflecht. Der Grat, wie in Rückgrat, genauso wie die Gräte haben damit zu tun. Womit wir endlich bei unserem ersten Thema sind. Auch Zander, Karpfen oder Saiblinge aus Bayerns Fischland Oberfranken machen eine gute Figur auf dem Grillrost. Eine fettarme, gesunde Abwechslung zum Steak und zur Bratwurst.

Mit dem Rost: Der Urheilige Laurentius im niederbayerischen Künzing

Auch das Wort für den römischen Marterpfahl crux = Kreuz, hängt mit cratis zusammen: Ein Längs- und ein Querbalken ist ja gewissermaßen der Ursprung eines Geflechts. Dass die beiden Wörter wirklich zusammengehören zeigt die englische Ableitung davon: cross, das von seiner Wortgestalt her wieder an die wabenförmige Fensterrose erinnert und an den Rost, bei dem sich die Eisenstangen kreuzen. Der bekannteste Crucifixus, also ans Kreuz geflochtene Verurteilte war Jesus von Nazareth, dessen erster Stellvertreter auf Erden, der heilige Petrus, die gleiche qualvolle Hinrichtung erlebt hat. Der Kreuzestod galt als die schlimmste und schändlichste Hinrichtungsart im Römischen Reich – römische Staatsbürger wurden kurz und relativ schmerzlos enthauptet, wie etwa der heilige Paulus oder der Papst Sixtus II., den Kaiser Valerian im Jahr 258 nach Christus hinrichten hat lassen, weil er an den im Lauf von zwei Jahrhunderten beträchtlich angewachsenen Kirchenschatz heranwollte. Doch Sixtus‘ Verwalter, der Archidiakon Laurentius wollte das Vermögen nicht rausrücken und soll es an die Mitglieder der römischen Gemeinde verteilt haben: Arme und Kranke, Verkrüppelte, Blinde, Lepröse, Witwen und Waisen seien der wahre Schatz der Kirche, soll er gesagt haben. Laurentius wurde daraufhin eine völlig neue Todesart zuteil: Die Hinrichtung auf einem glühenden Eisenrost. Der Legende nach soll er sterbend noch gescherzt haben. Drehts mich um, auf einer Seite bin ich schon durch. Seine letzten Worte hat er an den Kaiser gerichtet: „Du armer Mensch, mir ist dieses Feuer eine Erfrischung, dir aber bringt es ewige Pein.“ Laurentius wurde dadurch zu sowas wie einem Märtyrerstar im ganzen Römischen Reich – auch im heutigen Bayern. Viele der zahlreichen Laurentius- oder Lorenzkirchen überall im Land gehen unmittelbar auf römische Vorläufer zurück. Zum Beispiel die Lorenzkirche im niederbayerischen Künzig, dem römischen Quintanis.

Im Römermuseum Quintana gibt’s auch immer wieder Ausstellungen und Veranstaltungen. So können zum Beispiel im Ferienprogramm Kinder das Färben mit Pflanzen wie zur Römerzeit ausprobieren.

Rost made in Rhön

Sogar Ortsnamen wie Roßhaupten, Rosenheim, auch der Kröning und die Rhön hängen mit dem Rost, dem Geflecht zusammen. Im Mittelalter hat man mit Ron nämlich auch einen undurchdringlichen Wald, mit Ros ein Gestrüpp bezeichnet, wie es meist an Gewässern, als stachliches Rohr vor allem auch an Flussmündungen vorkommt. So ein Gestrüpp ist roh, rauh, englisch rough. Alles Wörter, die seit indoeuropäischen Urzeiten zusammenhängen. Über Umwegen dürfte sogar die Rose ihren Namen daher haben. Altgriechisch chrodon oder chroza heißt der Rosenstrauch, der ja ebenfalls ein undurchdringliches Gestrüpp ausbildet. Und über die rote Blüte der Rose kommt es zur zweiten Bedeutung des Wortes Rost: Die rote Farbe auf oxydiertem Metall. Dass dieser Rost gleichzeitig rauh ist und dafür sorgt, dass das Eisen verrottet – all das ist, wenn man die komplizierte Verwandtschaft bedenkt, in der alles mit allem zusammenhängt und sich gegenseitig beeinflusst, kein Zufall. Wie auch immer: Rost kann auch ziemlich edel daherkommen. Zumal, wenn er aus der Rhön kommt.

Fotos zum Rost aus der Rhön gibt’s auf unserer Internetseite unter bayern2.de/brheimat.de. Da haben wir für Sie auch noch einen Wandertipp ins Rote Moor hinterlegt, eines der beiden sagenhaften Hochmoore in der Rhön.

Besuch beim Rostlaubenbastler aus Stein bei Fürth

Auch die schönsten Rostprodukte aus der Rhön helfen nicht: Rost, der Eisenrost, war immer lästig. Hat sich aber halt oft nicht vermeiden lassen. In der Nachkriegszeit ist aus ihm sogar eine neue Wortzusammensetzung geworden: Die Rostlaube, eine beschönigende Bezeichnung für ein verrottendes Auto. Rostlauben, das waren Autos aus der Massenproduktion, für die sich Erhaltungsmaßnahmen nicht rentiert haben, weils irgendwann billiger war, einfach ein neues zu kaufen. Besonders häufig betroffen: Der VW Käfer – mit über 21,5 Millionen Fahrzeugen lang das meistverkaufte Automobil der Welt. Während seltenere Zeitgenossen längst zu begehrten Oldtimern mutiert sind, stand der Käfer lang im Schatten. Mittlerweile aber sind die Rostlauben von einst so selten geworden, dass sich eine regelrechte Szene gebildet hat, die sie mit großem Genuss wieder auf Vordermann bringen. Einer von den unermüdlichen Käfer-Bastlern ist Werner Höllriegl aus Stein im mittelfränkischen Landkreis Fürth. Ihn erkennt man schon von Weiten an dem unvergleichlichen Klang – lange bevor er mit seinem VW Käfer Cabrio um die Ecke biegt.

Der oberbayerische Rostkünstler Franz-Xaver Angerer

Franz-Xaver Angerer

Rost, das Verrotten bedeutet Niedergang, Dekadenz, Verderbnis, Tod und ist, so gesehen, nicht unbedingt vergnügungssteuerpflichtig oder genussverdächtig. Außer man schaut sich Produkte der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Rost an. Denn, wenn mans genau bedenkt: Der Tod gehört zum Leben; und nur wenn man das Leben ganz betrachtet, kann man ihm seine ganze Schönheit abgewinnen. Franz Angerer aus Inzell tut das. Für den international renommierten Bildhauer spielt der Rost in beiden Wortbedeutungen eine große Rolle. Sein Material holt er aus der Natur, nicht selten aus dem Gestrüpp oder dem, was sonst verrotten würde, gleichzeitig spielt und arbeitet er mit dem roten Rost.

Nicht rosten: Das Sportangebot in den Parks von Regensburg

Noch einmal zurück zum cratis, dem römischen Holzrost. Mit ihm hängt auch das lateinische rastrum zusammen, von dem unser Wort Raster abstammt. Was ja auch nix anderes als ein Gitter ist, ein Rost. Mit dem Rastrum, einer Art Rechen, kann man parallele Linien ziehen, die alle den gleichen Abstand haben. Und jetzt wird’s ganz spannend: Ihr Straßennetz nämlich haben die römischen Legionäre wie mit einem Raster in solche gleichmäßige, jeweils vierzig Kilometer lange Abstände unterteilt: Diese Abstände hießen rasta. Und alle vierzig Kilometer, das ist so viel, wie man an einem Tag zu Fuß schafft, gab es eine Straßenstation – eben eine Rast. Auch die Raststätte hängt also unmittelbar mit dem Rost in beiden Bedeutungen zusammen. Einmal in der Bedeutung von Gitter, zum anderen in der von verrottendem Metall. Und damit haben wir auch einen sprachlichen Beweis dafür, dass das alte Sprichwort stimmt: Wer rastet, der rostet. Eisengerät, das zu lang unbenutzt daliegt, setzt Rost an, genauso wie wir, wenn wir zu lang im wahren Wortsinn rasten. Damit das nicht passiert und wir unseren Schweinehund, der tief in unserm Innern rastet, überwinden, gibt es heute viele Angebote. Zum Beispiel in Regensburg: Dort kann man in den Parks der Stadt Sport treiben, kostenlos angeleitet von qualifizierten Trainern.

Eine Horst-Wanderung im Allgäu auf Adlers Spuren

Grandiose Landschaft

Mit dem Zusammenhang zwischen Rast und Rost schließt sich der Kreis. Denn auch der Horst, das Nest, in dem ein Adler rastet, wenn man so will, hängt mit dem Rost zusammen. Ein Horst ist ja schließlich auch aus Ästen gestrüppartig zusammengeflochten. In Bayern gibt es fast 50 Adlerhorste – elf allein im Allgäu. Streng geschützt, versteht sich. Denn der mächtige Steinadler, der wegen seiner Majestät Wappentier der römischen Kaiser genauso war wie das ihrer mittelalterlichen Kaisernachfolger und heute noch im Bundeswappen prangt, war fast ausgestorben. Mittlerweile hat sich der Bestand erholt. Und längst sind die Horste zur Touristenattraktion geworden, denen man sich auf geführten Wanderungen vorsichtig nähern darf. Wie Sie selbst einmal in den Genuss einer solchen Wanderung zu den Adlerhorsten im Allgäu kommen, das finden Sie hier:

Mit dem lateinischen cratis = Geflecht, Korb, Rost hängt auch die Kratte oder Kraxe zusammen, der geflochtene Buckelkorb des Hausierers, des Krattlers. Mein Bayern-genießen-Korb war heute gut gefüllt, fast überfüllt mit allem, was mit dem Rost und seinen vielen Bedeutungen zusammenhängt. Ein Hinweis aber sei noch erlaubt: Von dem lateinischen Wort cratis beziehungsweise seiner Verkleinerungsform cratillula kommt auch das französische Fremdwort Grill. Das ist der Rost, mit dem wir unsere Sendung heute angefangen haben und an den Sie sich, wenn Sie mögen und das Wetter es zulässt, heute und morgen vielleicht wieder stellen werden. Wenn Sie wollen, können Sie diese Sendung in allen möglichen elektronischen Formen nachhören unter anderem auch als dauerhaften Podcast unter bayern2.de. Ich wünsch Ihnen ein schönes Wochenende!

Rost. Das war Bayern genießen im Juni mit Gerald Huber und sieben Beiträgen aus den sieben bayerischen Regierungsbezirken. Anja Bischof aus dem Studio Franken machte den Beitrag über den oberfränkischen Grillfisch. Von Birgit Fürst aus dem Studio Ostbayern besuchte den heiligen Laurentius im niederbayerischen Künzing. Rostiges aus der Rhön war das Thema von Jochen Wobser aus unserem Studio Mainfranken. Den Rostlaubenbastler aus Stein bei Fürth porträtierte Laura Grun aus dem Studio Franken. Den Rostkünstler Franz Angerer aus Inzell besuchte Regina Fanderl aus dem Studio Oberbayern, Thomas Muggenthaler aus dem Studio Ostbayern hat uns zur Finess im Park in Regensburg mitgenommen und mit Malcolm Ohanwe waren wir unterwegs zu den Adlerhorsten im Allgäu


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