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Exitstrategie in Forchheim Raus aus dem Reihenendhaus

Patrizia Schlosser wohnt in einem Reihenendhaus in Forchheim. Allein. Die Kinder sind längst ausgezogen, von ihrem Mann hat sie sich getrennt. Das Haus ist groß geworden für nur eine Frau. Doch Patrizia Schlosser hat eine Exitstrategie gefunden.

Von: Thibaud Schremser

Stand: 11.08.2022 | Archiv

Patrizia Schlosser kommt aus Altötting, lebt aber seit 50 Jahren in Franken.

Patrizia Schlosser in ihrem alten Schlafzimmer

Diese Geschichte beginnt in ihrem Reihenendhaus in Forchheim. Genauer gesagt im Schlafzimmer. Es ist blumig und warm eingerichtet, mit alten Möbeln, unabhängig vom Zeitgeist. Nur eine Sache fällt auf im ansonsten so stimmigen Interieur: Das Bett. Es ist weder blumig, noch romantisch. Es ist ein Lagerplatz. Auf ihm liegen verschiedene unbezogene Bettdecken.

"Da war ich immer gern, habe immer gern aus dem Fenster geschaut und irgendwann hat sich das geändert."

Patrizia Schlosser

Der Auslöser war, dass Patrizias Mutter um den Jahreswechsel 2016/2017 schwer krank geworden ist.

"Da habe ich gesagt, ich bin auch nachts abrufbereit und habe mich da unten auf meinem Sofa einquartiert. Denn vom psychologischen Effekt her habe ich immer den Eindruck gehabt: Ich bin schneller an der Haustür. Ich bin schneller beim Auto und ich bin schneller bei denen vor Ort."

Patrizia Schlosser

Patrizia Schlosser verlässt ihr Schlafzimmer

Patrizia Schlosser in ihrem aktuellen "Schlafzimmer"

Und so verlässt Patrizia ihr Schlafzimmer im ersten Stock. Patrizia lebt von ihrem Mann getrennt, die Kinder sind längst erwachsen und ausgezogen. Das Haus ist groß geworden für nur eine Frau.

"Das ist im Moment meine Schlafcouch sozusagen. Am Anfang war’s gar nicht bequem und sehr ungewohnt. Da habe ich gedacht: Ich will wieder in mein Schlafzimmer. Aber je länger ich unten war, mich dort einquartiert habe, desto selbstverständlicher wurde das dann. Da dachte ich dann: Das ist ja praktisch. Da hat man gleich den Stuhl, den Tisch, die Küche, es ist alles gut erreichbar. Und da habe ich halt diese Vorzüge für mich kennengelernt."

Patrizia Schlosser

Es ist nicht so, dass Patrizia Schwierigkeiten mit dem Treppensteigen hat. Sie ist fit, sie arbeitet sogar in einem Bereich, in dem man körperlich fit sein muss: in der Pflege. Aber genau deshalb weiß sie, dass das wahrscheinlich nicht immer so bleiben wird. Und sie überlegt sich: Wie kann ich mich für Zukunft wappnen?

Erster Schritt: weniger Schritte

Ihr erster Schritt ist: weniger Schritte. Weniger Treppenstufen vor allem. Nur noch um ins Bad zu gehen muss sie jetzt nach oben. Der Rest ihres Alltags spielt sich im Erdgeschoss ab.

"Der Radius hat sich ganz enorm verkleinert, wobei das immer noch viel zu groß ist. Das sind hier unten 51 Quadratmeter. Und das ist eigentlich immer noch zu groß. Das brauche ich eigentlich gar nicht."

Patrizia Schlosser

Die Tochter wird das Haus übernehmen

Das Reiuhenendhaus von Patrizia Schlosser

Und so hat sie sich nach und nach mit dem Gedanken angefreundet, ganz auszuziehen. Schritt zwei im Zukunftsplan: Raus aus dem Haus. Und wie es manchmal so ist: Zeitgleich zu diesen Überlegungen sucht Patrizias Tochter mit ihrer jungen Familie ein neues, größeres Zuhause. Das fügt sich gut und sie beschließen gemeinsam: Die Tochter wird bald ins Haus einziehen und die Quadratmeter wieder voll nutzen. Und Patrizia? Geht raus aus dem Haus.

"Man muss auch sagen, es kommen immer wieder Momente, in denen ich denke, je nach Tagesverfassung, mute ich mir da zu viel zu? Mit dem ganzen Anbau, der ganzen Organisation – mute ich mir da zu viel zu? Aber die Vorfreude überwiegt."

Patrizia Schlosser

Künftig hat Patrizia Schlosser noch 25 Quadratmeter Wohnfläche

Patrizia wird in den eigenen Garten ziehen, in einen Anbau aus Holz, der noch gebaut werden muss. Gerade mal 25 Quadratmeter Wohnfläche wird sie dann zur Verfügung haben. In einer ausgelagerten Einliegerwohnung, die keine neue Fläche versiegelt, weil sie auf Ständern stehen wird.

Die Pläne sind gezeichnet. Und Patrizia strahlt, wenn sie in Gedanken durch ihr neues Zuhause geht. Sie hat eine Exitstrategie gefunden aus dem Reiheneckhaus – und macht damit Wohnraum frei. Wohnraum, der überall knapp ist, immer teurer wird, für den oft Fläche versiegelt werden muss, wenn man ihn neu baut. In zahllosen anderen Häusern in Bayern wohnt eine Person, oder zwei Personen. Und sie bleiben dort, weil ein Abschied schwerfällt. Klar.

"Es ist individuell verschieden, wie jemand das empfindet: als Besitz, Verlust. Auch die Situation ist bei jedem ganz anders. Und ich kann das gut nachempfinden. Ich mag zwar keine Ratschläge, würde aber trotzdem diesen Gedankenimpuls vielleicht geben, einfach auch von meinem Beruf her, was man da sieht, wie schnell sich eine Situation ändern kann und dass man sich zumindest mental schon damit auseinandersetzt. Man muss ja gar nicht ins Tun kommen, sondern mental sich damit auseinandersetzen: Wie könnte das werden? Oder wie könnte ich das organisieren? Dass man vorbereitet ist."

Patrizia Schlosser


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