Radiokinder Im Bann des magischen Auges
Am 25. Januar vor 70 Jahren wurde aus "Radio München" der "Bayerische Rundfunk". Grund genug für eine Jubiläumssendung, in der Menschen zu Wort kommen, die im Bann des magischen Auges ganz Ohr waren ... und mit dem BR groß wurden.
Ein grüner Lichtschimmer in fernsehlosen Zeiten
"Es war ein hölzernes Radio mit diesen großen Rädern, wo man rechts und links drehen musste; die Tasten waren so ein ganz warmer gelblicher Kunststoff, wo man richtig kräftig draufdrücken musste.
Dann gab's das magische Auge, das so grün war, und dann ging's auf und dann ging's wieder zusammen und dann hat sich das stabilisiert, und dann war der Sender optimal eingestellt."
Das magische Auge - ein kleines Glasfenster am Röhrenradio. Dahinter schimmerte ein grünes Licht, das sich veränderte, wenn der Sender verstellt wurde - ein echter Hingucker für Kinder der in vielen Familien fernsehlosen späten 50er und frühen 60er Jahre.
"Und jetzt, liebe Kinder, kommt Eurer Betthupferl"
Die wahre Magie des Radios aber entfaltete sich hinter der Stoffbespannung des hölzernen Kastens: Langgezogene Piepstöne - "Beim letzten Ton des Zeitzeichens ist es 12 Uhr" und "So lang der alte Peter" rhythmisierten den Tag.
Helle Stimmen sangen von Liebe und Glück, dunkle redeten von Adenauer, Kennedy und Chruschtschow, was nur Erwachsene verstehen konnten. Dann, eine freundliche Frauenstimme:
"Und jetzt, liebe Kinder, kommt Eurer Betthupferl!"
Damals, als das Radio "A hard days night" spielte
Dringt der Sound jener Zeit nach all den Jahren wieder ans Ohr, taucht plötzlich die Erinnerung an die gesamte Szenerie auf wie bei einem vertrauten, lange vergessenen Geruch.
In diesem Feuilleton von Carola Zinner erzählen einstige Radiokinder, wie das Bild der Betthupferltante verschmolz mit dem der schönen blonden Nachbarin, wie die Geschichten des Jeremias Schrumpelhut bunte Bilder im Kopf malten und wie es war, als das Radio "A hard days night" von den Beatles in Küchen und Wohnzimmer brachte.
Besuch im Rundfunk bei "Tante Erika"
Im Jahr 1954 hatte Hans Lehrer, damals 12 Jahre alt, etwas Unerhörtes gewagt:
"Da hab ich gesagt, so, ich möchte auch zum Rundfunk. Ohne Unterstützung von Mama oder Papa, sondern ich bin einfach in die Stadt reingefahren mit der Straßenbahn Richtung Hauptbahnhof und hab mich da durchgefragt zum Rundfunkgebäude, bin dann reingegangen und zum Pförtner gesagt, ich möchte zur Tante Erika, das war damals für mich DIE Dame, die die Kindersendungen gemacht hat, die Tante Erika."
Am Dienstag bringt Erika Heichert die "Viertelstunde mit Erika". Echte Kinder in einem echten Kindergarten sind die Mitspieler, und es geht dabei so fröhlich, lebensecht und zugleich diszipliniert zu, wie immer dort, wo Erwachsene den richtigen Ton gegenüber Kindern finden.
"Und dann hat er gesagt, ja du musst da und da in das Zimmer gehen - und da kann ich mich so erinnern an das Büro 'Paul Alverdes' - und ich bin reingegangen und hab gesagt, ich möchte zur Tante Erika. Und dann, dann hab ich a Schreiben gekriegt zum Casting sozusagen, Vorsprechen.
Und dann ham sie gesagt, was ich gut kann, und dann hab ich gesagt, die Elfie Pertramer kann ich gut nachmachen - damals war schon die 'Weißblaue Drehorgel' - und dann den Weiß Ferdl, die Linie 8 hab ich vorgesungen, dann Vico Torriani Addio Donna Grazia, das war aus 'Die 7 Schlager der Woche' - wir Kinder haben das ja dann nachgesungen und teilweise das auch nachgespielt. Das haben aber alle Kinder gemacht. Da war man nicht allein."
Der Auftritt bringt Hans Lehrer tatsächlich ans Ziel: Er wird Kindersprecher. Zwar reicht es zu seinem Bedauern nie für eine Hauptrolle, aber er wird so häufig eingesetzt, dass sich die 5-Mark-Honorare bald zur sensationellen Summe von 100 Mark aufgehäuft haben. Damit ist Hans der Krösus in der Familie.