Bayern - Land und Leute Bayerische Kommerzienräte

Wirtschaftsbürger im Titelrausch
Bayerische Kommerzienräte
Von Marita Krauss
Als Podcast verfügbar

Kommerzienrat. Geheimer Kommerzienrat. Kommerzienratswitwe. Auf repräsentativen Grabmonumenten in Honoratiorenfriedhöfen findet sich noch der Titel, der ein halbes Jahrhundert lang für Bayerns erfolgreiche Wirtschaftsleute die begehrteste Auszeichnung war. Der Titel wurde seit 1880 nach aufwendigen Verfahren an die Elite der Unternehmer aus Industrie, Großhandel und Bankwesen verliehen, an Männer mit beträchtlichem Vermögen, großem Einfluss und hohem öffentlichen Ansehen – wenn sie sich durch Spenden und Stiftungen für das Gemeinwohl engagiert hatten oder für den Staat von besonderer Bedeutung waren. Als Kommerzienrat oder gar Geheimer Kommerzienrat konnte man gleichziehen mit den Geheimen Staatsräten der hohen Ministerialbürokratie; der Titel wurde ein Bestandteil des Namens, er hob den Einzelnen aus der Masse der titellosen und unstudierten Kollegen hervor. So gründeten Kommerzienräte Betriebskrankenkassen, sie bauten Arbeiterwohnungen, stifteten Waisenhäuser, unterstützten Kriegsveteranen, sie errichteten Schulen und Lungensanatorien, Kriegerdenkmäler und Rathäuser. Sie waren Vorstände von Fachverbänden und Vereinen, sie wirkten als Gemeindesbevollmächtigte und Magistratsräte, in der Freiwilligen Feuerwehr und im Roten Kreuz. Und sie waren in kleineren Gemeinden meist die größten Arbeitgeber, die politisch und gesellschaftlich wichtigsten Persönlichkeiten.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurden Ehrentitel abgeschafft. Doch in Bayern ernannte man munter weiter: Die Regierung brauchte Geld für soziale und kulturelle Zwecke, der Titel war ein Anreiz für Spenden. Erst 1929 verbot das Reichsgericht weitere Verleihungen. Manche sagen: eigentlich schade.
Marita Krauss folgt der Wohltätigkeit und den Eitelkeiten der bayerischen Wirtschaftsbosse des vorigen Jahrhunderts.