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Bayern - Land und Leute Schloss Neubeuern im Inntal und seine Gäste

Schloß Neubeuern | Bild: picture-alliance/dpa

Mittwoch, 15.08.2012
13:30 bis 14:00 Uhr

BAYERN 2

Ein Musenhof im Inntal
Schloss Neubeuern und seine Gäste
Von Dietrich Leube

1882 kaufte der Darmstädter Bankierssohn Jan Wendelstadt Schloß Neubeuern über dem Inntal, um es mit Hilfe des damaligen Münchner Stararchitekten Gabriel von Seidl im Stil der Gründerzeit herauszuputzen. Nach dem Vorbild etwa eines Großherzogs umgab sich der frischgebackene Baron mit einem lockeren Kreis von Künstlern und Intellektuellen aus ganz Deutschland. Als Vermittler fungierte dabei der Schwager seiner jungen Frau Julie, der Kunstkenner, Politiker und Wirtschaftsmann Eberhard von Bodenhausen, eine Schlüsselfigur im kulturellen Leben der Jahre vor dem Ersten Weltkrieg. Aus seinem Wirkungskreis in Berlin, Wien oder Weimar brachte er illustre Gäste ins abgelegene Schloß. Zu den regelmäßig wiederkehrenden Besuchern zählten der weltläufige Kunstförderer Harry Graf Kessler, der Jugendstilkünstler Henry van de Velde, der auch einige Räume des Schlosses ausgestaltete, Alfred Walter Heymel und Rudolf Alexander Schröder, die Begründer des Insel-Verlags, oder der Spätklassiker Rudolf Borchardt.
Während der allwinterlichen "Neubeurer Wochen" konnten sich in der Bibliothek oder im Festsaal des Schlosses Walther Rathenau und Max Reinhardt austauschen, Annette Kolb und die Tänzerin Grete Wiesenthal begegnen, Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal über die gemeinsame Arbeit am "Rosenkavalier" verständigen.
1909 beging der Schloßherr in den Turbulenzen der "Eulenburg-Affäre" Selbstmord. Künftig waren es seine Witwe, vor allem aber deren Schwägerin Ottonie Gräfin Degenfeld, welche die geistigen und gesellschaftlichen Beziehungen fortführten. Diese junge Frau "von kraftvoller Zartheit" war offensichtlich der Magnet, der die wahlverwandten Geister anzog. Davon sprechen die Briefe Rudolf Borchardts überaus anschaulich - und aus intimer Nähe der Briefwechsel der Gräfin Degenfeld mit dem Dichter des "Rosenkavalier". Diese Zeugnisse einer "amitié amoureuse" offenbaren nicht nur Hofmannsthals Menschenkunde und den Charme einer "schönen Seele", sie dokumentieren in ihren Mitteilungen über Freunde und Ereignisse darüber hinaus Fragmente einer untergegangenen Kultur.
Ein Hörstück von Dietrich Leube.