Bayern 2

     

Bayern 2 - Radio Revue Afra, Hofmohr, Negerkuss

Dienstag, 03.01.2012
20:05 bis 21:00 Uhr

BAYERN 2

2000 Jahre schwarze Menschen in Bayern
Von Maximiliane Saalfrank und Thies Marsen
Wiederholung von 11.05 Uhr

Vor 35 Jahren sorgt die Veröffentlichung eines gelinde gesagt merkwürdigen Buches über alpenländisches Brauchtum für Furore. Darin behauptet der Autor Fritz Berthold mit Blick auf das Erscheinungsbild und den Charakter bayerischer Politiker, dass auf der schwäbisch-bayrischen Hochebene Jahrhunderte lang unter anderem sudanesische Legionen samt ihrem Anhang gelebt hätten. Die Altbayern seien demzufolge "Abkömmlinge von Arbeitssklaven, Bauchtänzerinnen, Hausierern, Kantinenwirten, Masseuren, Bademeistern, Waffenhandwerkern und Huren". Und die wichtigste Hinterlassenschaft dieses antiken Prekariats sei neben "Kraushaar und Körperbau" vor allem das Hinterfotzige, so Berthold weiter.
Historisch verbürgt ist, dass Männer aus dem heutigen Maghreb als Truppenkommandanten am Limes stationiert waren. Doch bestehen erhebliche Zweifel, ob es sich bei diesen Soldaten tatsächlich um Schwarze gehandelt hat. Grundsätzlich spielt im antiken Bayern die Hautfarbe keine Rolle - es kann also durchaus den einen oder anderen Aufsteiger aus Schwarzafrika nach Rätien und Noricum verschlagen haben.
Aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. stammen die ersten bayerischen Artefakte, die eindeutig afrikanische Männer darstellen. Im Sollerholz, einem kleinen Waldgebiet zwischen Töging am Inn und Mühldorf, findet man ein kleines bronzenes Büstengefäss für Parfümöl, im unterfränkischen Mellrichstadt eine Ansatzplatte für den Henkel eines Bronzeeimers, die mit einem Kopf eines Schwarzafrikaners verziert ist.
304 wird auf einer Lechinsel bei Augsburg Afra, "die Afrikanerin" verbrannt, Sie ist die erste christliche Märtyrerin nördlich der Alpen. Wenig später gelangt der Zenokult über Südtirol an den bayerischen Herzogshof. Der heilige Zeno, geboren in Mauretanien und im 4. Jahrhundert Bischof von Verona, ist seit mehr als einem Jahrtausend Patron der Kirchen in Isen bei Erding und Bad Reichenhall. Der dritte schwarze Heilige, der in Bayern, vor allem in Ingolstadt und Coburg verehrt wird, ist Mauritius, der edle, schwarze Ritter der Stauferzeit. Coburg trägt den sogenannten "Mohren" im Stadtwappen ebenso wie Pappenheim in Mittelfranken.
Auch im Wappenschild Papst Benedikts XVI. taucht ein gekrönter Mohr auf, das "Caput Aethiopum", seit 1300 Herrschaftszeichen der Bischöfe von Freising. Wie und warum der Kopf eines Afrikaners zum Wappenschild eines bayerischen Bischofs wurde, ist bis heute nicht geklärt. Etwa zur gleichen Zeit setzt in Altötting auch der Kult um die "schwarze Madonna" ein, der vermutlich spirituelle Traditionen wiederbelebt, die seit Jahrtausenden im Zusammenhang mit weiblichen Fruchtbarkeits-, Mutter- und Erdgöttinnen stehen.
Maximiliane Saalfrank und Thies Marsen waren fasziniert von den frühen Zeugnissen schwarzer Menschen in ihren Heimatregionen, an Inn, Isar und Lech. Sie haben sich deshalb auf eine Zeitreise durch 2000 Jahre bayerischer Geschichte gemacht, mit bayerischen Schwarzen und schwarzen Bayern gesprochen und dabei vieles über Bayern gelernt.