Bayern 2

Bayern 2 am Feiertag Hartes Lager, heiße Herzen

Tölzer Richtlinien: Die Rauhekopfhütte lehnt sich an den Berghang | Bild: BR/Georg Bayerle

Montag, 29.05.2023
18:05 bis 19:00 Uhr

BAYERN 2

Hartes Lager, heiße Herzen
100 Jahre Tölzer Richtlinien oder: Wolldecken und Duschen
Von Georg Bayerle

Wiederholung von 11.05 Uhr
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Wolldecke und Werbeverbot - unangenehme Fragen für die Alpenvereine, die vor hundert Jahren aufgeworfen wurden. Die "Tölzer Richtlinien" aus dem Jahr 1923 haben es immer noch in sich. Mit dem Wirtschaftswachstum und dem Eisenbahnbau Ende des 19.Jahrhunderts entwickelt sich ein regelrechter Boom in die Berge, und da er anfangs vor allem von wohlhabenderen Schichten getragen wurde, exportierte das Bürgertum den Lebensstil der Belle Epoque gleich mit. Vor hundert Jahren erreicht die Debatte einen ersten Höhepunkt, und da steht dann zum ersten Mal die Frage im Raum, ob sich die Gesellschaft die Berge nach ihrem Stil zurichten kann, soll oder darf, oder ob nicht umgekehrt der alpine Raum die Stilistik definieren sollte, die dann freilich karg, einfach und minimalistisch wäre. Entspricht nicht ein hartes Lager der harten Umwelt des Hochgebirges? Federführend in der Sache war die Sektion Bayerland, die 1895 sich im Streit über die Planung des Münchner Hauses auf der Zugspitze von der Sektion München des DÖAV abgespalten hatte und seither die Rolle des kritischen Mahners spielte. Zum Schauplatz der Debatte wurde schließlich Bad Tölz. Das Kurstädtchen im Süden von München war 1923 Austragungsort der Hauptversammlung, mitten in einem Berge-Boom bis dahin ungekannten Ausmaßes: Von 1920 bis 1925 verdoppelte sich die Zahl der Hüttenbesucher nahezu. Um die Welle dieses "Massenbesuchs der Berge" zu brechen, gerieten insbesondere die Hütten in den Fokus. Durch Komfortverzicht sollten sie nur noch für "echte" Bergsteiger attraktiv sein: "Für Sommerfrischler und Personen, die mit dem ausübenden Bergsteigertum nichts zu tun haben, sind die Hütten nicht bestimmt", formuliert es Punkt 5 der Tölzer Richtlinien. Bis heute ist die Frage aktuell geblieben, wieviel Komfort es auf einer Berghütte geben soll oder darf, oder um es konkret zu sagen: Was haben W-LAN, Duschen, Betten auf Berghütten zu suchen? Geblieben sind die Wolldecken, die in ihrer heutigen Form allerdings von den militärisch-kratzigen zu Kuscheldecken wurden. Und geblieben ist der grundsätzliche Gedanke, dass eine Hütte der Einfachheit verpflichtet sein sollte - oder nicht? Auf Streifzügen zu den Hütten der Alpen folgt das Feature diesen Fragestellungen genauso nach wie der Faszination Berghütte, die nichts von ihrer Anziehungskraft verloren hat.