Bayern 2

     

Bayerisches Feuilleton Guglmänner, Patrioten, Monarchisten

Sonntag, 07.03.2021
20:05 bis 21:00 Uhr

  • Als Podcast verfügbar

BAYERN 2

Unter Königstreuen
Guglmänner, Patrioten, Monarchisten
Von Michael Zametzer

Wiederholung vom Samstag, 8.05 Uhr
Als Podcast verfügbar

Die Verfassung des Königreiches Bayern von 1818 regelte auch die Trauerfeierlichkeiten für einen verstorbenen Monarchen. Dem Wagen mit dem Sarg sollten 25 "Guglmänner" voranschreiten, dunkle Gestalten in bodenlanger Mönchskutte, gekreuzte Kerzen vor der Brust, die Gugl, eine Kapuze mit Sehschlitzen, über das Gesicht gezogen. So geschah es 1886 bei der Beisetzung von Ludwig II., so geschah es selbst noch nach dem Ende der Monarchie 1921, als Ludwig III. zu Grabe getragen wurde.

Und es gibt sie noch heute. Sie nennen sich die "Guglmänner SM. König Ludwig II." und sind davon überzeugt, dass Seine Majestät ermordet wurde - mutmaßlich vom preußischen Geheimdienst. Sie selbst bilden einen Geheimbund und verstehen sich als eine Art königlicher Leibgarde über den Tod hinaus. Die Wahrheit über die Umstände dieses Todes wollen sie ans Licht bringen. Dazu bedürfe es nur einer forensischen Untersuchung der sterblichen Überreste Seiner Majestät. Derlei Forderungen finden sich auf der Homepage der Guglmänner im Internet. Zu besonderen Anlässen, meist am Todestag des Monarchen, treten sie sogar auf spektakuläre Weise öffentlich in Erscheinung. Doch niemand weiß, wer sich unter den Kapuzen verbirgt. Man munkelt, der eine oder andere bayerische Politiker stecke darunter ...

Neben diesen Dunkelmännern nimmt sich der "Verband der Königstreuen in Bayern" vergleichsweise bieder aus. Und dann sind da noch die unzähligen nicht-organiserten Verehrer des "Märchenkönigs" im Freistaat Bayern. Jährlich treffen sie sich in Gammelsdorf bei Freising, wo sie der Schlacht von 1313 gedenken, in deren Verlauf österreichische Truppen von den Rittern des Wittelsbacher Herzogs Ludwig geschlagen wurden. Auch gibt es republikmüde Separatisten im Geiste, die sich allen Ernstes die Frage stellen, wie das heute aussehen könnte: ein eigenständiges Königreich Bayern in Gestalt einer parlamentarischen Monarchie. Mehr Glanz! Lieber ein weiser Monarch als korrupte Politiker!

Was sind das nur für Menschen, die dem Königtum nachtrauern oder den "Mord an unserem geliebten Kini" aufdecken wollen? Kann, darf, muss man ihre Motive und Beweggründe ernst nehmen? Beneiden nicht viele Zeitgenossen insgeheim die Engländer, Schweden, Dänen, Norweger, Spanier um ihre Königshäuser? Wollen wir nicht alle mehr Glanz? Und was halten eigentlich die Wittelsbacher von so viel unverbrüchlicher Treue?

Das "Bayerische Feuilleton" lädt ein zu einer Forschungsreise in die aus der Zeit gefallenen, geheimnisdunklen Sehnsuchtsregionen der bayerischen Seelenlandschaft.

Hörkino zum Frühstück statt Frühstücksfernsehen

Das Bayerische Feuilleton erzählt keine Geschichten, die schon 100 Mal erzählt wurden. Alle Spielarten von Geschichte hinter den Geschichten sind möglich. Wir nutzen die Chance für Spott, Scherz, Satire und Ironie. Uns interessieren Themen, in denen sich reale Ortschaften mit Literatur und Kunst verbinden. Wir schätzen Originale in der schönen neuen Medienwelt der "Unauffälligen". Wir bieten radiophone Geschichten mit Gedankenstoff und Spielraum für Gefühle. Als journalistisches Genre hat das Bayerische Feuilleton eine anspruchsvolle Tradition.