Bayern 2

Nachtstudio Heimatselige Popmusik

Dienstag, 17.09.2019
20:05 bis 21:00 Uhr

  • Als Podcast verfügbar

BAYERN 2

Wie viel Heimat braucht der Pop?
Eine Erkundung entlang unübersichtlicher Frontverläufe
Von Jens Balzer
Als Podcast und in der Bayern 2 App verfügbar

Tradition, Nostalgie, überkommene Werte, idyllische Landschaften abseits unserer hektischen Zeit: Eine sonderbare Heimatseligkeit scheint die Popmusik ergriffen zu haben. Zu den erfolgreichsten Künstlern der Gegenwart gehören der österreichische „Volks-Rock’n’Roller“ Andreas Gabalier und die südtirolischen Patrioten von Frei.Wild - beide verbinden Heimatseligkeit mit einer rechtspopulistischen Agenda -, aber auch unpolitische Bands wie die norddeutschen Shantyrocker Santiano, die das Abenteuer der Seefahrt und alte Piratenmythen beschwören. War Popmusik nicht immer ein Medium des Kosmopolitismus und der transnationalen Grenzüberschreitung? Spiegelt sich in seiner Wende zur Herkunft, zum Nationalen und Regionalen also die generelle politische Verschiebung nach „rechts“? Auf solche Fragen will dieser Essay eine Antwort versuchen. Wer die Gegenwart genauer betrachtet, kann freilich auch das Gegenteil der der neuen Heimatseligkeit finden. Besonders in der elektronischen Musik herrscht heute ein globalisierter Eklektizismus, der gar keine Traditions- und Kulturgrenzen mehr kennt. Dieser wird nun aber gerade von den Vertretern einer „linken“ Identitätspolitik massiv kritisiert: Ihnen scheinen Herkunft, Tradition und Identität ebenso wichtig zu sein wie ihren „rechten“ Antagonisten. Die politischen Frontverläufe sind unübersichtlich. Wieviel Heimat der Pop braucht: Das ist umstritten. Darin erweist er sich einmal wieder als getreuer Spiegel der politischen Verhältnisse und Kämpfe.

Jens Balzer ist Autor, Radio-DJ und schreibt für den Rolling Stone sowie die ZEIT. Zuletzt erschien von ihm das Buch "Das entfesselte Jahrzehnt“.