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Bayern - Land und Leute Der Künstler Wolfram Kastner

Wolfram Kastner brennt auf dem Königsplatz in München ein Loch in den Rasen. Er erinnert damit an die Bücherverbrennung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933 an diesem Platz. (2013) | Bild: picture alliance/dpa/Inga Kjer

Sonntag, 29.01.2017
13:05 bis 13:30 Uhr

BAYERN 2

Den Finger in die Wunde
Der Aktionskünstler Wolfram Kastner und seine Erinnerungsspuren
Von Ulrich Trebbin
Als Podcast verfügbar

Der Münchner Künstler Wolfram Kastner legt den Finger in die Wunde, zeigt auf, wo die Bundesrepublik über NS-Schuld hinweg gegangen ist. Seit 1995 erinnert er regelmäßig mit einem Brandfleck an die Bücherverbrennung am Münchner Königsplatz. Die Stadt hat seine Aktion zunächst verboten, später sollte er dann seine Erinnerungsspur mit Rollrasen wieder zudecken. Inzwischen sind der jährliche Brandfleck und die öffentliche Lesung aus verbrannten Büchern Tradition geworden. Allerdings schickt die Stadt dem Künstler jedes Jahr eine Rechnung für die Benutzung des Königsplatzes.

Auch in Frankfurt, Nürnberg, Würzburg, Landsberg, Linz und Salzburg erinnert Kastner mit Aktionen und Kunstprojekten an die Bücherverbrennungen der Nazis von 1933. Er will damit zum Nachdenken über NS-Geschichte anregen. Vor dem Leipziger Volkshaus schrieb er das Zitat von Heinrich Heine auf das Pflaster: „Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.“

Wolfram Kastner ist zur Stelle, wenn irgendwo im deutschsprachigen Raum Kriegsverbrecher als Helden verehrt werden. Er schneidet Schleifen von Gedenkkränzen ab, verhüllt oder bemalt Kriegerdenkmäler, erinnert mit weißen Koffern („Hier wohnte…“ ) an die Deportation von Juden, lässt Papst und Hitler gemeinsam durch die Münchner Fußgängerzone laufen, prangert die Diskriminierung von Juden und Hexen in der Geschichte der Kirche an oder kritisiert mit Installationen die Militarisierung in der Welt.

Regelmäßig bekommt Kastner wegen seiner Aktionen Anzeigen und wird mit Bußgeldern bedroht. Er gehörte zum Initiativkreis Münchner Bürger, die sich mit ihrer Forderung nach einem NS-Dokumentationszentrum gegen Stadt und Freistaat gestellt haben. Ulrich Trebbin folgt Kastners Erinnerungsspuren: „Der Künstler als Querulant?“