Bayern 2

     

Bayern - Land und Leute Die Welt im Dorf

Josef Fischer | Bild: Gebr. Martin, Inh.: K. Ressler, Königl. Bayr. Hofphotograph / (Franz Josef Böck)

Sonntag, 11.12.2016
13:05 bis 13:30 Uhr

BAYERN 2

Die Welt im Dorf
Bürgermeister Josef Fischer und seine Chroniken
Von Claudia Decker
Als Podcast verfügbar

"Wenn ein alter Mensch stirbt, verbrennt eine ganze Bibliothek." Diese afrikanische Weisheit gilt nicht nur für Afrika. Immer und überall sterben mit einem alten Menschen seine Erlebnisse und Erkenntnisse, seine Lebenserfahrung, seine Zeitzeugenschaft. Das alles wollte Josef Fischer für seine Nachkommen retten.

In dem kleinen Häder bei Augsburg wird Josef Fischer im Jahr 1894 Bürgermeister - das Amt hatte schon sein Vater inne. Drei Jahre später beginnt er, die Geschehnisse im Dorf in Chroniken aufzuzeichnen, 40 Jahre lang, bis 1937. Er protokolliert die für ein Dorf lebenswichtigen Ernten jener Jahre, schildert das Dorfleben, die Sitten, Gebräuche und Wertvorstellungen der Menschen und ihre Ohnmacht angesichts der Weltläufte. Im dritten Kriegsjahr 1916 schreibt er: "Ein Ende des Krieges ist gar nicht abzusehen. Im Juni und Juli 1916 stand Deutschland vor der Aushungerung. Im Juli 1916 wurde mit allen Mitteln versucht, Kartoffeln aufzutreiben, um sie mit Schnellzügen nach dem Ruhrgebiet zu befördern, wo Hungerrevolten nur mehr durch schleunige Zufuhr von Lebensmitteln zu vermeiden waren. Auch von hier kamen viele Zentner Kartoffeln dorthin."

In den 30er Jahren übernehmen die Nationalsozialisten auch in Häder die Macht. Josef Fischers Einschätzung dieser neuen Zeit ist hellsichtig: "Es gibt keine Wahrheit, kein Recht und keine Gerechtigkeit mehr. Die Zeitungen werden zu ekelhafter Heuchelei gezwungen. Die Zahl der Gemeinden, die Hitler das Ehrenbürgerrecht verliehen haben, geht in Bayern in die Tausende. In fast jedem Dorf werden Hitler-Eichen gepflanzt." Josef Fischer macht aus seiner Gegnerschaft zu den Nationalsozialisten keinen Hehl. Im August 1934 erklärt er seinen Rücktritt als Bürgermeister von Häder. Noch bis 1937 führt er seine Aufzeichnungen weiter. Das Ende des Zweiten Weltkrieges erlebt er nicht mehr, er stirbt mit fast 85 Jahren im Januar 1945.

Claudia Decker hat sich in Häder auf Spurensuche nach Josef Fischer begeben.