Bayern 2

     

Hörspiel Raoul Schrott: Erste Erde Epos

Samstag, 14.05.2016
15:05 bis 17:00 Uhr

BAYERN 2

Erste Erde Epos- Erstes Leben/Sex und Symbiosen
Von Raoul Schrott
Regie: Michael Farin
BR 2016
Ursendung
Als Podcast verfügbar im Hörspiel Pool

Erste Erde Forum
Schwämme und unsere Genetik:
Erstes sesshaftes Leben
Raoul Schrott im Gespräch mit Prof. Werner Müller, Institut für Physiologische Chemie, Mainz
Als Podcast verfügbar in der artmix.galerie

Erste Erde Epos ist der Versuch eines modernen Epos in einer Zeit, in der aufgrund immenser Wissensbestände, unzähliger Forschungsdisziplinen und des
Verlusts klarer religiöser Ankerpunkte die Gattung "Epos" unmöglich scheint. Während sich der Mensch in zentralen europäischen Weltschöpfungsmythen
noch im Gegenüber zu seinen Göttern situierte und darin alles festgehalten wurde, was über die Welt gesagt werden konnte, geht es Raoul Schrott darum, heute die Frage nach der humanen Tragweite unseres aktuellen Wissens von der Welt und ihrer Entstehung zu stellen. Dabei können Poesie und Bilderreichtum der Dichtung das anschaulich und emotional erfahrbar machen, wovon die Wissenschaft in abstrakter Terminologie redet.

2008 Westaustralien: In der Nähe der ehemaligen North-Pole-Mine finden sich die Reste einer flachen vulkanischen Lagune, die 3,6 Milliarden Jahre alt ist. Darin blieben die allerersten Fossilien erhalten, die von Leben zeugen: Stromatolithe - auch Blumen- oder Decksteine genannt - als kopfförmige Ablagerungen von Matten von Cyanobakterien. Diese algenartigen Mikroben bilden sich heute in jedem Wassertümpel. In der Frühzeit der Erde jedoch
waren sie die ersten Organismen, die vor über 2 Milliarden Jahren lernten, mittels der Energie des Lichts Wasser aufzubrechen und dabei Sauerstoff abzuscheiden: Ihnen allein haben wir die Luft zu verdanken, die wir jetzt atmen. Die Shark Bay an der Küste ist eine der wenigen Stellen der Erde, wo sich noch heute Stromatolithen bilden, in denen man winzige Sauerstoffbläschen aufsteigen sehen kann. Die Reise dorthin führt an den Jack Hills vorbei, deren weit über 4 Milliarden Jahre alten Gesteinskristalle Hinweise auf bereits entstandenes Leben enthalten. Wie sich die Aborigines dagegen die Schöpfung vorstellten, wurde auf der Reise in einer Bar erzählt. Mary McCallum, eine pensionierte Mikrobiologin, sitzt jeden Tag in der U-Bahn Station des Londoner Embankments, um die Stimme ihres verstorbenen Mannes im Lautsprecher zu hören, wie er die Aussteigenden vor dem Spalt an der Bahnsteigkarte warnt. In stillen Monologen mit ihm lässt sie den Tod ihres Mannes, ihr Leben mit ihm und ihrem autistischen Kind Revue passieren. Sie reflektiert, in welchem Ausmaß bakterielles Leben das unsere bestimmt und wie sehr wir von der Symbiose mit ihnen abhängig sind. Sie skizziert dabei jene eheartige Endosymbiose von Bakterien, die zur Entstehung jener eukaryotischen Zellen führte, aus denen wir bestehen, zu den Chromosomen, die unsere Geschlechter unterscheiden, und zur sexuellen Reproduktion, mit der wir uns vermehren.

Raoul Schrott, geb. 1964, Autor und Übersetzer. BR-Hörspiele u.a. "Hotels - Ein akustisches Tryptichon" (gemeinsam mit Klaus Buhlert, 1995, Hörspiel des Jahres), "Die Erfindung der Poesie" (mit HR/ORF 1997), "Gilgamesh" (2001), "Tristan da Cunha" (2003).