Bayern 2

radioTexte - Das offene Buch Tukan für Fridolin Schley: "Die Verteidigung"

Schriftsteller Fridolin Schley | Bild: Cornelia Zetzsche

Sonntag, 07.11.2021
12:30 bis 13:00 Uhr

  • Als Podcast verfügbar

BAYERN 2

Nürnberg 1947. Im Prozess gegen zwanzig Kriegsverbrecher steht auch Ernst von Weizsäcker vor Gericht. Sein Sohn Richard, der spätere Bundespräsident, gehört zum Team der Verteidigung. Mit höchstem Feingefühl erzählt Fridolin Schley in seinem Vater-Sohn-Roman ein brisantes Kapitel deutscher Geschichte und wird dafür mit dem Tukan-Preis geehrt. Lesung: Devid Striesow.
Cornelia Zetzsche im Gespräch mit dem Autor

"The United States versus Ernst von Weizsäcker et alii", hieß es im Kriegsverbrecher-Prozess von November 1947 bis April 1949 gegen zwanzig Angeklagte, allesamt hohe Beamte des Außenministeriums während der NS-Zeit. Im Zentrum: Ernst von Weizsäcker, der ehemalige Marine-Offizier, Monarchist und SS-Brigadeführer, Spitzendiplomat und Staatssekretär, der sich für "nicht schuldig" erklärte. Was wußte er von der Deportation und Ermordung europäischer Juden? Wo endet bloßes Wissen, und wo beginnt Schuld? Was für ein Mensch war Ernst von Weizsäcker, als hoher Beamter und als Vater?

Fragen und Erinnerungen, die seinen Sohn Richard beschäftigt haben könnten, der damals als Jura-Student auf Seiten der Verteidigung half und vier Jahrzehnte später, am 8.Mai 1985, seine berühmte Rede zum "Tag der Befreiung" hielt.

Fridolin Schley folgt historischen Spuren auf literarische Weise: einfühlsam, atmosphärisch dicht, mit einer Art sprachlichem Tastsinn und feinem Sensorium beim Balanceakt zwischen Fakten und Fiktion. Am 8. Dezember 2021 erhält er dafür den Tukan-Preis der Landeshauptstadt München. In der Jury-Begründung heißt es:

"Fridolin Schleys kluger, psychologisch feinfühliger und genau recherchierter historischer Dokumentarroman ist ein Gerichtssaal-Drama, das das 'große Drama der Geschichte' und das der Beteiligung daran verhandelt ... Der Autor konfrontiert uns mit der Frage, wie der Einzelne und seine Familie mit der Schuld umgehen, die Weizsäcker durch seine Mitarbeit im nationalsozialistischen Verbrechensapparat auf sich geladen hatte. Fridolin Schley schreibt kühl, präzise und ohne jeden moralischen Überlegenheitsgestus des Nachgeborenen. Die Verteidigung zeigt uns das Ringen um die Wahrheit als lebenslangen Prozess."

Lesung: Devid Striesow
Regie: Joachim Hoell
Im Gespräch: Fridolin Schley
Moderation und Redaktion: Cornelia Zetzsche

Mit freundlicher Genehmigung der Verlage Hanser und Random House Audio können wir die Sendung bis 31. Dezember 2021 als kostenlosen Podcast anbieten.