Bayern 2

     

Bayerisches Feuilleton Wutbürger in Bayern

Giovanni Trapattoni | Bild: picture-alliance/dpa

Samstag, 13.04.2013
08:05 bis 09:00 Uhr

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BAYERN 2

"Ich habe fertig!"
Wutbürger in Bayern
Von Thomas Kernert
Als Podcast verfügbar
Wiederholung am Sonntag, 20.05 Uhr

Im Unterschied zum furor teutonicus, den bereits die Römer fürchteten, war lange Zeit nicht ganz klar, worum es sich beim "furor bavaricus" genau handelte: um eine Mücke oder einen Elefanten? Dies lag vornehmlich daran, dass die bayerische Wut zwar sehr eruptiv in Erscheinung treten konnte, meist jedoch nur für Sekundenbruchteile anhielt. Von einer "Erregungskurve" konnte insofern kaum die Rede sein, höchstens von einer "Erregungsspitze". Dabei wurde kurz "ausgeteilt" und "a Rua war"! Von den Wittelsbachern immerhin weiß man, dass einige von ihnen formidable Wüteriche waren. 1919 wurde der furor bavaricus dann in Form des "politischen Aschermittwochs" erstmals institutionalisiert. Als einer seiner größten Anhänger galt gemeinhin Franz Josef Strauß. Doch auch bei ihm dauerte die Wut meist nur kurz und erschöpfte sich in ein paar wilden Schreien und Zuckungen, die bereits am Donnerstagmorgen wieder vergessen waren.
Eine entscheidende Erneuerung erfuhr der furor bavaricus 1998 durch den damals in bayerischen Diensten stehenden oberitalienischen Fußballlehrer Giovanni Trapattoni und dessen berühmten TV-Wutausbruch, der mit den klassischen Worten endete: "Ich habe fertig!" Seitdem gilt er als hoch wirksames Instrument zur medialen Instant-Empörung mit optimaler Erregungsintensität. Als Zeichen authentischer Entrüstung gehört er heute längst zum guten Ton und erfreut sich sowohl bei Politikern, Kirchenvertretern und Sportfunktionären, als auch beim so genannten Normalbürger (Stichwort: "Wutbürger") allgemeiner Beliebtheit.
Thomas Kernert versucht die Geschichte des furor bavaricus nachzuzeichnen.

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