Bayern 2

     

Nachtstudio Wie das Hörspiel auf den Hund kam

Dienstag, 18.08.2020
20:05 bis 21:00 Uhr

  • Als Podcast verfügbar

BAYERN 2

Der Niedergang der akustischen Kunst
Eine Brandrede von Ulrich Bassenge
BR 2019
Als Podcast und in der Bayern 2 App verfügbar

Die mediale Revolution der Zwanzigerjahre brachte der Welt das Radio, die elektrische Klangverstärkung und den Tonfilm. Ohne diese dreifache Konvergenz ist die Urszene des Hörspiels nicht denkbar: 1930 montiert der Dokumentarfilmer Walter Ruttmann Mitschnitte eines Wochenendes zu einer rhythmischen Collage - die radikale Umsetzung der Idee, mit Klang zu schreiben statt mit Wörtern. Aber sein grandioser Erstling blieb lange folgenlos. Warum? "Dass das Hörspiel überhaupt zur Literatur gerechnet wird, ist Ergebnis einer politischen Rauschunterdrückung", diagnostiziert der Medienwissenschaftler Bernhard Siegert. Unterdrückt wurde das Rauschen des neuen Mediums von den Nazis und reaktionären Nachkriegsdramaturgen, die das "Sendespiel" zementierten, sich also nichts Anderes vorstellen wollten als "Theater im Radio".

Heute, im post-faschistischen 21. Jahrhundert, werden Romane zu Hörspielvielteilern zweitverwertet. DramaturgInnen denken sehr stark nach - über serielles Erzählen, über Sounddesign und Crosspromotion, während der Netflix-Zug nach Nirgendwo dümpelt. Die Leerstelle der Bühne hat das episch-cineastische Ideal eingenommen, abscheulichst manifestiert in den "Kino im Kopf"-Adaptionen forensischer Belletristik unter britischer und skandinavischer Ägide: saugeil angefetteter Profi-Sprech meets Dolby Sounddesign. Ulrich Bassenge, selbst Hörspielmacher, versucht dem Treiben Einhalt zu gebieten. Er fordert eine Rückbesinnung auf den Klang der Dinge, die Musik der Wörter, die feinen Nuancen der Metasprache. Warum will das Hörspiel immer etwas anderes sein, als es ist? Lasst das Fernsehen dem Fernsehen, das Theater dem Theater und die Romane im Regal! Lasst die Kasperle- und Gruselfilmdramaturgie, seid medienkritisch, klangforschend und ergebnisoffen! Löst euch aus dem gierigen Griff der Verleger! Schluss mit der Afterkunst des Hörbuches!! Bezahlt endlich AutorInnen für Originalhörspiele!!!