Bayern 2

     

Bayerisches Feuilleton Zum 25. Todestag von Golo Mann

Golo Mann | Bild: Monacensia

Sonntag, 07.04.2019
20:05 bis 21:00 Uhr

  • Als Podcast verfügbar

BAYERN 2

Der brave Golo
Thomas Manns begabtester Sohn
Von Gustav Seibt

Wiederholung vom Samstag, 8.05 Uhr
Als Podcast und in der Bayern 2 App verfügbar

Gottfried Angelus, genannt Golo, geboren 1909, war Thomas Manns drittes Kind. Die Eltern haben es nicht so geliebt wie ihre ersten beiden Kinder, Erika und Klaus, die stürmischen, zwillingshaft dämonischen Götterkinder. Golo war verschlossen, wunderlich und drollig. Der Vater verurteilte ihn in seinem Tagebuch als unsauber und unehrlich. Golo spielte in Familienaufführungen gern tragische Frauenrollen. Unterwürfig folgte er seinem strahlenden älteren Bruder Klaus, aber anders als dieser verschloss er alle seine Gefühlsnöte im Inneren - und spiegelte sich in Beispielen der Literatur, den Tagebüchern Hebbels und den Memoiren Tocquevilles.

Golo war der Tragiker der Familie. Auch aus politischer Erfahrung: Da er Historiker wurde - angeregt durch frühreife Schiller-Lektüre, bildete er als einziger im Mann-Clan ein besonnenes zeitgenössisches Urteil heran. Der alte Thomas Mann erkannte Golos Tüchtigkeit und Klugheit und las dessen ersten Werke, eine Biographie des Staatsmannes Gentz und lange politische Essays voller Zustimmung. Doch erst nach Thomas Manns Tod kam ans Licht, dass dieser Sohn, der immer im Schatten gestanden hatte, als einziges unter den sechs Kindern dem Vater an epischer Kraft und langem Atem gleichkam. Tausendseitige Werke entstanden: eine „Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts“ und ein noch umfangreicherer „Wallenstein“ auf den Spuren Friedrich Schillers. Und ein nicht endender Strom glanzvoller Essays floß weiter. Memoiren, die zu den schönsten der deutschen Literatur gehören, runden ein Werk, das zwischen Historie, Erzählung, Philosophie und Literatur in freiester Schwebe hängt.

Der wunderliche Golo, der Zeit seines Lebens für sich blieb, aber ein treuer, zärtlicher Freund war, brachte es zu Erfolg und Glanz - mehr trotz als wegen seiner ruhmreichen Familie. Am 7. April 1994 ist er gestorben.

Aus Anlass von Golo Manns 25. Todestag wiederholen wir eine Sendung aus der Feder des Historikers und Schriftstellers Gustav Seibt.

(BR 2005)

Hörkino zum Frühstück statt Frühstücksfernsehen

Das Bayerische Feuilleton erzählt keine Geschichten, die schon 100 Mal erzählt wurden. Alle Spielarten von Geschichte hinter den Geschichten sind möglich. Wir nutzen die Chance für Spott, Scherz, Satire und Ironie. Uns interessieren Themen, in denen sich reale Ortschaften mit Literatur und Kunst verbinden. Wir schätzen Originale in der schönen neuen Medienwelt der "Unauffälligen". Wir bieten radiophone Geschichten mit Gedankenstoff und Spielraum für Gefühle. Als journalistisches Genre hat das Bayerische Feuilleton eine anspruchsvolle Tradition.