Bayern 2

     

Bayern - Land und Leute Tempelglocken über dem Starnberger See

Ogai Mori Gedenkstätte in Berlin | Bild: picture-alliance/dpa/Jiji Press

Sonntag, 06.01.2019
13:05 bis 13:30 Uhr

BAYERN 2

Tempelglocken über dem Starnberger See
Der japanische Arzt Ogai Mori auf Forschungsreise in Bayern
Von Christine Wunnicke

Als Podcast und in der Bayern 2 App verfügbar

1884 bricht der junge Militärarzt Ôgai Mori (1862-1922) auf, um als Stipendiat des japanischen Kaiserreichs das deutsche Heeressanitätswesen und die westliche Zivilisation im Allgemeinen zu erforschen.

In München studiert er die Hygiene bei Max von Pettenkofer, skizziert die Belüftungsanlagen im Odeon und das Haidhausener Kunstbutterwerk, pflichteifrig, bedachtsam, reserviert. In seinem Tagebuch notiert er, was ihm auffällt: die Leute, die Stadt, die Kunst, das Leben, die Spatzen in Nymphenburg, die schöne Anna, die im Finsterwalder Café bedient und ihn immer den "braven Doctor" nennt.

Manchmal, etwa angesichts von Krautsalat oder Studentenduellen, übermannt Dr. Mori ein ethnologisches Grauen. Dann übermannt ihn das Heimweh. Manchmal übermannt ihn auch die Schwärmerei. Er verliebt sich in Nathan den Weisen, in den Starnberger See, in die große grüne Bavaria, die von ferne in sein Schlafzimmerfenster schaut. Den tragischen Tod Ludwigs II. besingt er in elegischen Versen in klassischem Chinesisch.

Nach seiner Heimkehr verfasst Ôgai Mori - ohne seine stromlinienförmige Militärkarriere auch nur einen Augenblick zu vernachlässigen - ein literarisches Werk, das achtunddreißig Bände umfasst, und wird einer der berühmtesten japanischen Schriftsteller seiner Generation.