Bayern 2

     

Bayern - Land und Leute Schlemmen in den 70ern (2/2)

Innenansicht des Münchner Nobelrestaurants Tantris | Bild: picture-alliance/dpa/Felix Hörhager

Dienstag, 01.01.2019
13:05 bis 13:30 Uhr

BAYERN 2

Schlemmen in den 70ern (2/2)
Das Tantris
Von Carola Zinner

Als Podcast und in der Bayern 2 App verfügbar

Die meisten wollten das Steak vom Holzkohlegrill: Nach der Eröffnung des Feinschmeckerlokals Tantris am 2. Dezember 1971 verging noch geraume Zeit, bis die Mehrzahl der Gäste nach dem getrüffelten Kalbsbries aus Eckart Witzigmanns Küche verlangten, nach seinem Coq au Vin, dem auf den Punkt gegarten Loup de Mer. Dass die ausgefuchsten Gerichte des "Jahrhundertkochs" dann überhaupt solchen Anklang fanden, lag nicht zuletzt an den Glossen des Gourmetkritikers Wolfram Siebeck, damals wohnhaft am Ammersee, der die Küche des Schwabinger Gourmettempels über den grünen Klee lobte und auch gleich Tipps parat hatte, wie die Leserschaft in der heimischen Küche ein ähnliches Niveau erreichen konnte. In der Sendung erzählen Witzigmann und einige seiner Wegbegleiter, wie aus dem abgelegenen Münchner Restaurant im schräg-verrückten Architekturstil der 1970er-Jahre der Parnass deutscher Esskultur wurde.

Doch auch für jene, denen das alles viel zu affig war, zu aufwendig, zu teuer, rückte in jenem Dezember 1971 der Wandel der Esskultur in greifbare Nähe: Nur zwei Tage nach dem Tantris öffnete am 4. Dezember 1971 der erste McDonald's Deutschlands in der Nähe des 60er Stadions seine Pforten, gerade mal sieben Kilometer entfernt vom Tantris.

Die verblüffende zeitliche und räumliche Übereinstimmung zeigt: Es war Schluss mit dem Motto der Nachkriegsjahre: "Man hat zu essen, was auf dem Teller ist, ob's schmeckt oder nicht!" Die lässigen 70er brachten die freie Auswahl. Tiefkühlpizza, Salatbuffet und Fleisch, Fleisch, Fleisch - zwar meist aus Massentierhaltung, aber darüber dachte damals kaum jemand nach.

Im Burger-Restaurant gab es für wenig Geld Essen wie in den USA, leicht verdaulich und sorgsam abgestimmt auf den Geschmack der breiten Masse: flache Buletten in weichem Weißbrot, süßsaure Gürkchenscheiben, Pommes, Ketchup, alles hübsch verpackt zum Mitnehmen und aus der Hand zu essen - "to go", wie man später dazu sagen sollte.

Was für ein Unterschied zum Tantris, wo man sich hingebungsvoll darum bemühte, jedem Gast individuell die höchste kulinarische Perfektion zu bieten und seine Geschmacksknospen weiter zu verfeinern. Beide jedoch, der Gourmettempel wie das Burgerrestaurant, erzählen viel über die 1970er Jahre und ihre sich wandelnde Gesellschaft. Carola Zinner hat sich auf kulinarische Zeitreise begeben.