Bayern 2

     

Bayerisches Feuilleton Schlaf, Bayern, schlaf!

Samstag, 27.10.2018
08:05 bis 09:00 Uhr

  • Als Podcast verfügbar

BAYERN 2

Schlaf, Bayern, schlaf!
Eine bayerische Somnologie
Von Thomas Kernert
Wiederholung am Sonntag, 20.05 Uhr, Bayern 2
Als Podcast und in der Bayern 2 App verfügbar

Mit einem Stück Fleisch kann man jeden schlafenden Hund gefahrlos wecken. Weckt man indes einen schlafenden Bayern, so muss man bessere Argumente vorweisen können. Unsanft bzw. unnötig geweckte Bayern neigen zu cholerischen Anfällen. Der Grund hierfür ist weniger in der jeweiligen Persönlichkeit, als vielmehr in der bayerischen Schlafkultur zu suchen. Als Angehöriger einer Agrarkultur musste der Bayer jahrhundertelang früh aufstehen. Auch kannte er lange Zeit weder Schlafzimmer, noch Schlafanzug, noch Federkernmatratze. Oft schlief die ganze Familie bei den Tieren im Stall. Der Schlaf war ein kostbares, meist knapp bemessenes Gut, das man sich nicht gerne entwenden ließ. Brach die Nacht herein, wurde das Licht gelöscht, der Bürgersteig hochgeklappt und fleißig geschlummert.

Erst das 19. Jahrhundert erfand die Großstadtnacht mit ihren Zerstreuungen, ihren Beleuchtungen, ihrem Nachtleben und ihren moralisch zweifelhaften "Nachtseiten". Bayerische Dörfer hingegen befinden sich bis heute fest in der Hand von Hypnos, dem Gott des Schlafes, auch wenn ARD und RTL längst schon keinen Sendeschluss mehr kennen. Der Bayer weiß: Wer mehrere Nächte hintereinander nur sechs Stunden lang schläft, befindet sich, was Leistungsvermögen, Reaktionsgeschwindigkeit, Gedächtnis und Urteilskraft angeht, in einem Zustand, als hätte er ein Promille Alkohol im Blut. Dann doch lieber schlafen, träumen und saufen! Besonders in Herbst und Winter, wenn auch der Bär nicht mehr steppt, sondern sich in seine Höhle verkriecht, um auf bessere Zeiten zu warten …

(BR 2015)

Hörkino zum Frühstück statt Frühstücksfernsehen

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