Bayern 2

     

Bayern - Land und Leute Der gestohlene Doktortitel des Wilhelm Grau

Ein Schild der Jüdischen Gemeinde in Regensburg | Bild: picture-alliance/dpa

Sonntag, 04.05.2014
13:30 bis 14:00 Uhr

BAYERN 2

Doppelte Vertreibung
Der gestohlene Doktortitel des Wilhelm Grau
Von Stephen Tree
Als Podcast verfügbar

Es war die Frucht jahrzehntelanger Forschungsarbeiten über die Vertreibung der Juden aus Regensburg im Februar 1519 und als krönendes Werk einer langen und ehrenvollen wissenschaftlichen Karriere gedacht. Raphael Straus (1887-1947) hatte dazu unter Verzicht auf jede Lehrtätigkeit Dokumente in allen Archiven Deutschlands gesammelt und von Hand transkribiert, mit Querverweisen versehen und erläutert. Das Buch stand kurz vor der Veröffentlichung, als im Herbst 1932 der junge Geschichtsstudent Wilhelm Grau (1910-2000) um seine Unterstützung bat: er plane eine Ausstellung zu eben diesem Thema.
Grau bekam das gewünschte Material, das er nach der Machtübernahme Hitlers im Januar 1933 jedoch nicht für eine Ausstellung, sondern für die eigene Doktorarbeit nutzte, während er die Veröffentlichung des Straus’schen Buches mit Hilfe der Gestapo unterband, um sich als "zäher, nachbohrender Forscher" mit einer "seltenen Fülle von Quellen" feiern zu lassen und Raphael Straus, der ihm in der "Zeitschrift für die Geschichte der Juden in Deutschland" sein Plagiat vorhielt, für dessen "greisenhaften Dünkel" zu verhöhnen.
Dass Wilhelm Grau vom Judentum keine Ahnung hatte, behinderte seine Nazikarriere als "Fachkenner" nicht. Er wurde Leiter des "Reichsinstituts zur Erforschung der Judenfrage" und hat die Ausstellung "Der Ewige Jude" mitkuratiert. Sein "Standardwerk" über die "Vertreibung der Juden aus Regensburg" ist bis vor kurzem immer wieder zustimmend zitiert worden.
Raphael Straus hingegen, der sich gerade noch ins Exil retten konnte, musste sich damit abfinden, dass sein Lebenswerk für immer verloren war. Dass schließlich ein einziges gerettetes Exemplar der Druckfahnen ausfindig gemacht und 1960 durch die Bayerische Akademie der Wissenschaften veröffentlicht wurde, hat er nicht mehr erlebt.