Bayern 2

"Mythos Bayern" - Bayerische Landesausstellung 2018 im Kloster Ettal Bayerisches Feuilleton Wilhelm von Ockham und Ludwig der Bayer

Samstag, 26.05.2018
08:05 bis 09:00 Uhr

  • Als Podcast verfügbar

BAYERN 2

Wir sind nicht Papst
Wilhelm von Ockham und Ludwig der Bayer
Von Thomas Kernert

Wiederholung am Sonntag, 20.05 Uhr, Bayern 2
Als Podcast und in der Bayern 2 App verfügbar

Spätestens seit der Gegenreformation genießt Bayern den Ruf eines Bollwerks des Katholizismus. Die Rechtgläubigkeit der bayerischen Kurfürsten und Könige präsentierte sich stets rein wie Weihwasser. Und auch das moderne Bayern ließ sich nie von modernistischen Gedanken eintrüben. Belohnt wurde der Freistaat für diese Hygiene am 19. April 2005 mit der Wahl eines seiner Schriftgelehrten zum 264. Nachfolger Petri. "Wir sind Papst" lautete die Jahrhundertschlagzeile. Alles jubelte und bekreuzigte sich.

Bis auf einen: In der Nacht zum 20. April - sie war feucht und kalt - wollen Ohrenzeugen in der Nähe der Münchener Theresienwiese heftige Laute des Unmutes gehört haben. Angeblich stammten sie direkt von dem voluminösen Reiterstandbild Kaiser Ludwig des Bayern auf dem gleichnamigen Platz. Zur Erinnerung: Lange vor der Gegenreformation, im tiefsten Mittelalter, stritt sich der große Wittelsbacher 20 Jahre lang mit dem Papst bis aufs Blut. Für die verbalen Attacken sorgte dabei ein sehr kluger und scharfzüngiger Engländer, der in allen damaligen Kontroversen (Armutsstreit, Universalienstreit, Papststreit) kräftig mitmischte: Wilhelm von Ockham vulgo William of Occam. Ludwig hatte dem Franziskanermönch 1328 Asyl gewährt und damit einen der gefährlichsten Männer jener Zeit nach München geholt. Wilhelm brillierte als Theologe ebenso wie als Logiker, Rechtsphilosoph und Staatstheoretiker. Beide, der Kaiser und sein Ketzer, starben 1347 im Kirchenbann: Anathema sint!

Thomas Kernert erinnert an eine bewegte Epoche der bayerischen Geschichte, in der wir ganz bestimmt nicht Papst waren.

Hörkino zum Frühstück statt Frühstücksfernsehen

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