Bayern 2

     

Die 68er - Ein Aufbruch und seine Folgen radioSpitzen Das Kabarett der 68er

Die Münchner Lach- und Schießgesellschaft präsentierte am 6. April 1967 ihr neues Programm namens "Kleiner machen Leute". Das Bild zeigt (l-r) Klaus Peter Schreiner, Ursula Noack und Klaus Havenstein, die alle am 7. April Geburtstag hatten. | Bild: picture-alliance/dpa; Montsge: BR

Freitag, 13.04.2018
14:05 bis 15:00 Uhr

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BAYERN 2

"Wie Sie das nennen, was wir machen, ist uns scheißegal!"
Von der Wohlstandssatire zur Spaßguerilla - das Kabarett der 68er
Von Roland Söker

Wiederholung am Samstag, 20.05 Uhr
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Mitte der 1960er-Jahre war das Kabarett in Deutschland zu einem gesellschaftlichen Ereignis geworden. Die Damen gingen vorher zum Frisör und legten ihre Abendgarderobe an. Die Herren streiften ihr Jackett über den Wirtschaftswunderbauch, ließen sich edle Weine kredenzen und steckten sich dicke Zigarren an. Mochten die Nummern frech, teilweise brillant, manchmal sogar subversiv daherkommen, stets saßen bei den Fernsehaufzeichnungen in vorderster Reihe Politiker und klopften sich die Schenkel. Kein Wunder, dass sich die junge Generation von den etablierten, zahnlosen Ensembles nicht mehr angesprochen fühlte.

An den Unis landauf, landab entstanden Mitte der 60er-Jahre neue Kabarettgruppen wie "Die Hammersänger", das "Faule Ei" oder "Trampelmuse". Wolfgang Neuss, der "Mann mit der Pauke", vollzog den Wechsel von der Symptomkritik zur fundamentalen Systemkritik und wurde zu einer Art satirischer Galionsfigur der Studentenbewegung. Das Berliner "Reichskabarett" rund um die Schauspielerin Renate Küster widmete sich dem Vietnamkrieg und den Notstandsgesetzen und traf damit den Nerv der Zeit. Das Münchner "Rationaltheater" arbeitete mit dokumentarischen Elementen, Tonband- und Filmeinspielungen und näherte sich den Lebenswelten und Gefühlslagen der 68er. Nicht nur in den Hochburgen Berlin und München, an vielen Orten der Bundesrepublik entstanden neue Kabaretts mit betont linkem Anspruch.

Vielleicht war es keine Zäsur, die diese Gruppen hinterlassen haben. In jedem Falle aber war es eine Bereicherung. In der Rückschau fällt die ungeheure Vielfalt neu entstandener Formen und Facetten auf. Von der unterhaltenden Systemkritik des "Reichskabaretts" über den dokumentarischen Anspruch des "Rationaltheaters", vom grenzüberschreitenden Rock-Kabarett des "Floh de Cologne" bis zum sinnlosen Nonsens à la "Insterburg & Co". Es war einiges ins Rollen gekommen im Schlepptau der 68er-Bewegung.